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Der unbekannte Trafo

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Nach einem von Dr. Helmut Becker, DL2VA, im OV R11 gehaltenen Vortrag zusammengestellt von Georg Mühlenbruch, DL1ECG

Wohl jeder Funkamateur kennt Trafos. Nun findet er in seiner Bastelkiste ein Bauteil, das wie ein Trafo aussieht. Aber: Nicht alles, was auf den ersten Blick so aussieht, ist auch ein Trafo. Es kann auch eine Drossel oder ein NF-Übertrager sein.Eine Drossel ist leicht zu erkennen: Sie hat nur zwei Anschlüsse, während ein Trafo mindestens drei Anschlüsse aufweist.

Haben wir nun festgestellt, daß wir einen Trafo vor uns haben, stellt sich die Frage, ob es sich um einen Netztrafo handelt und welche Leistung er bei welchen Daten abgibt.

Zur Entscheidung dieser Fragen ist ein Indizienprozeß zu führen. Erst die Summe aller Indizien kann mit hinreichender Sicherheit Aufschluß über unseren Unbekannten geben.

Zunächst sehen wir uns den Kern an. Es gibt verschiedene Blechschnitte. Notfalls müssen wir also die Schrauben lösen und ein Blech aus dem Paket herausziehen. In Deutschland wird am meisten der "M-Schnitt" und der "EI-Schnitt" verwendet. Der in Abb. 1/2 gezeigte genormte M-Schnitt ist quadratisch. Seine Bezeichnung setzt sich aus dem Buchstaben M und der Kantenlänge des Pakets in mm zusammen. M 55 bedeutet z.B.: M-Schnitt, 55 mm Kantenlänge.

Abb 1
Abb. 1: M-Schnitt ohne Luftspalt.

Abb 2
Abb. 2: M-Schnitt mit Luftspalt.

Die Abb. 3/4 zeigt einen El-Schnitt. Er ist rechteckig. Die Längenangabe in seiner Bezeichnung bezieht sich auf die längere Seite. El 66 bedeutet z.B.: EI-Schnitt, 66 mm Länge der längeren Seite.

Abb 3
Abb. 3: EZ-Schnitt ohne Luftspalt.

Abb 4
Abb. 4: EZ-Schnitt mit Luftspalt.

Auch die Paketstärke ist genormt. Wenn für eine Kerngröße mehrere Paketstärken existieren, so wird das bei der Kernbezeichnung durch den Zusatz "b" beim dickeren Paket unterschieden, z. B. M 102 b.

Weitere Kernformen sind der in der Abb. 5/6 gezeigte "U-Schnitt" und der "UI-Schnitt". Auch hierfür gibt es genormte Bezeichnungen.

Abb 5
Abb. 5: U-Schnitt ohne Luftspalt.

Abb 6
Abb. 6: ul-Schnitt ohne Luftspalt.

Soll es sich um einen Netztrafo handeln, so darf das Blechpaket keinen Luftspalt enthalten (Abb. 5). Selbst wenn kein Luftspalt vorhanden ist, muß es sich nicht zwingend um einen Netztrafo handeln. Auch sollten wir skeptisch sein, wenn gutes Blech verwendet wurde. Dies ist bei Netztrafos nicht erforderlich und somit zu teuer.

Eine für uns wichtige Eigenschaft des Trafos ist die Leistung, die er abzugeben vermag. Zu ihrer Ermittlung gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, von denen jedoch keine allein eine hinreichende Sicherheit gewährleistet. Es ist also zweckmäßig, mehrere Prüfungen vorzunehmen und die Mehrheit der Ergebnisse entscheiden zu lassen.

1. Prüfung: Das Gewicht

Man kann davon ausgehen, daß ein Trafo ca. 40 Watt pro Kilogramm Gewicht leistet. Unser unbekannter Trafo hat ein Gewicht von 700 Gramm, daher unterstellen wir eine Leistung von 40 × 0,7 W = 28 W.

2. Prüfung: Der Kernquerschnitt

Der Kernquerschnitt wird ermittelt, indem die Zungenbreite mit der Paketstärke multipliziert wird. Unter Zunge versteht man den mittleren Teil des M- oder EZ-Schnittes bzw. des Seitenteils des U- bzw. UI-Schnittes, also den umwickelten Teil des Paketes. Manchmal ist die Zunge nicht gut zu erkennen. Hier hilft als Kontrolle die Regel: Zungenbreite-1/3 Paketbreite.

Unser Trafo hat: Paketstärke a= 2,7 cm Zungenbreite b= 2,0 cm

daher Kernquerschnitt A= a × b= 2.2,7 cm2 = 5,4 cm2

Die Leistung wird nun wie folgt ermittelt: P = 5,4 × 5,4 W = 29 W.

Auf Grund des Kernquerschnittes ergibt sich somit eine Leistung von 29 Watt.

3. Prüfung: Der Leerlaufstrom

Nach Anschluß des Trafos an das Netz wird der primäre Leerlaufstrom gemessen. Der so ermittelte Wert in Milliampere wird als Leistung in Watt angesehen. Unser Trafo zieht 30 mA, daher P= 30 W. Natürlich muß man wissen, ob es sich um einen Netztrafo handelt und welche Anschlüsse zur Primärwicklung gehören. Siehe dazu weiter unten.

4. Prüfung: Normschnitt oder nicht?

Hat unser unbekannter Trafo einen Normschnitt, so sind wir fein heraus. Wir brauchen nur noch aus der folgenden Tabelle 1 , die auch noch weitere Daten enthält, die Leistung abzulesen. Vorsichtshalber messen wir aber auch noch die Paketstärke und vergleichen sie mit dem Tabellenwert. Da die Bleche nicht absolut glatt aufeinanderliegen, ist die Paketstärke an einer der Schrauben zu ermitteln.

Tabelle 1: Trafodaten
Normbezeichnung Sekundärleistung Eisenquerschnitt Paketstärke Stromdichte Spannungsabfall
innenaußen
Wcm2mmA/mm2A/mm2%
M 4251,8154,55,240
55153,4203,84,323
65305,4273,33,616
74507,4323,03,312
85709,4322,93,39,5
10212012,1352,42,87,5
102 b18018,0522,32,76
El 4281,9144,55,250
54143,2183,84,325
66204,9223,33,718
78356,8262,93,313
84507,8282,83,112
967010,2322,52,812
10510012,3352,32,712
105 b14015,8452,22,611

"Unser unbekannter Trafo hat tatsächlich einen M-Schnitt mit einer Kantenlänge von 65 mm; auch die Paketstärke von 27 mm stimmt mit der Angabe für M 65 überein.

Naher lesen wir ab: P= 30 W.

Nachdem unser unbekannter Trafo mit großer Wahrscheinlichkeit also etwa 30 W abzugeben vermag, schreiten wir zur schwierigeren Aufgabe.

Ermittlung des Wicklungsaufbaus

Zunächst wird mit einem Ohmmeter festgestellt, welche Anschlüsse der gleichen Wicklung angehören (meßbarer Widerstand). Aufpassen: Oft hat die Primärwicklung Anzapfungen für andere Netzspannungen. Auch die Sekundärwicklungen können Anzapfungen haben, z. B., wenn es sich um eine Wicklung für Doppelweggleichrichtung handelt. Die Primärwicklung befindet sich fast immer innen, d.h., die Drähte der P-Seite kommen nahe dem Kern heraus.

Bei den meisten Trafos kann man von einer Abwärtstransformation ausgehen. Das bedeutet, daß die niederohmige Wicklung des Trafos wahrscheinlich die Sekundärseite ist.

Auch die Drahtstärke kann als Anhaltspunkt für die Bezeichnung der Wicklung beitragen. Da auf der Sekundärseite wegen der Abwärtstransformation der größere Strom fließt, ist der Draht dicker. Aber auch hier aufpassen: Besonders bei dünndrähtigen Wicklungen wird im Inneren oft ein dicker Draht angeschlossen, der dann herausgeführt wird. Man mißt daher außen nicht den wirklichen Durchmesser des Wicklungsdrahtes.

Bei unserem Versuchstrafo ist der Durchmesser der vermuteten P-Wicklung dp=0,25 mm. Hieraus wird der Drahtquerschnitt ermittelt: π × r2 = 3,14 × 0,1252 mm2 = 0,049 mm2.

Es stellt sich nun die Frage, wie groß die Strombelastbarkeit je Quadratmillimeter Drahtquerschnitt ist (Stromdichte). Die Stromdichte ist von der Größe des Trafos abhängig. Je größer der Trafo, desto größer ist auch das Kühlungsproblem, somit nimmt die Stromdichte mit der Größe des Trafos ab.

Wichtig ist auch, ob es sich um die innere oder die äußere Wicklung handelt. Bei der inneren Wicklung ist die Kühlung schlechter, daher kann sie nur mit einer geringeren Stromdichte belastet werden als die äußere. In der Tabelle 1 findet sich auch die Stromdichte wieder.

Beispiel: Unser M 65-Trafo hat laut Tabelle eine Stromdichte der inneren Wicklung von 3,6 A/mm2, daher ist der zulässige Strom 0,049 × 3,6 A = 0,18 A.

Daraus folgt die Primärleistung Pp = 220 × 0,18 W = 39,6 W.

Natürlich ist die aufgenommene (Primär-) Leistung des Trafos wegen der Verluste höher als die Sekundärleistung. Wir können aus der letzten Spalte der Tabelle 1 den Wirkungsgrad n (= griech. eta) des Trafos berechnen. Es ist nämlich:

Wirkungsgrad n = 100% - Spannungsabfall zwischen Leerlauf und Vollast. In unserem Beispiel: n=100%-16%=84%. Daher: Sekundärleistung 39,6 × 0,84 W = 33 W.

Ist man sich nicht sicher, ob die vermutete Wicklung wirklich die P-Seite ist, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. brutale Methode: 220 V ganz kurz anlegen und beobachten, ob es knistert oder raucht oder die Sicherung herausfliegt.
  2. feine Art: mit einem Regeltrafo die Spannung von 0 V an langsam hochfahren.

Auf die gleiche Weise bestimmen wir die Sekundärstromstärke. Beim Mustertrafo finden wir ds = 0,85 mm und errechnen daraus den Kupferquerschnitt π × r2 = 0,57 mm2 und mit dem Tabellenwert der Stromdichte von 3,3 A/mm2 für die äußere Wicklung einen S-Strom von 1,9 A.

Letzte Prüfung: Spannungsabfall bei Belastung

Unser unbekannter Trafo hat nur eine S-Wicklung ohne Anzapfung. Das erleichtert unsere Forschungsarbeiten sehr. Zunächst wird die sekundäre Leerlaufspannung gemessen. Sie ist hier 20,4 V.

Danach wird der Trafo mit einem Widerstand belastet (hier 15t2). Dies führt zu einem Abfall der Spannung. Also wird die Spannung erneut gemessen. In unserem Beispiel ergibt sich 18,3 V. Hieraus wird der Strom errechnet: I = 18,3 V / 15 Ω = 1,2 A.

Aus diesen Werten wird das Diagramm von Abb. 7 erstellt: Durch die beiden Punkte X (0 A / 20,4 V) und + (1,2 A / 18,3 V) wird eine Gerade gezeichnet. Nun kann zu jedem Laststrom die Trafospannung abgelesen werden.

Abb 7
Abb. 7: Kennlinie eines Transformators.

Beispiel: Bei einem Laststrom von 1 A ergibt sich U = 18,5 V und hieraus die Leistung 18,5V . 1 A=18,5 W. Weitere Wertepaare: Bei einer Belastung mit 1,5 A gibt der Trafo 17,5 V ab, das sind 26 Watt. Bei 2 A 17,0 V und 34 W.

Auf diese Weise können wir die maximale Dauerlast zu etwa 17,5 V / 1,7 A / 30W "einkreisen", womit dann alle Daten des Trafos bekannt sind.