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Wahrheiten und Irrtümer: Energieübertragung vom Sender zur Antenne 1

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Jeder Amateur möchte die von seinem Sender erhältliche HF-Leistung voll, also ohne Verluste, zum Speisepunkt einer Antenne leiten. Die Antenne wiederum sollte diese Leistung verlustfrei abstrahlen. Es darf möglichst wenig davon in Anpaßnetzwerken, Antennendrähten und Isolatoren als Wärme verlorengehen. Antennen mit gutenWirkungsgraden sind in der Regel kein Problem. Aber man kann auch hier sündigen ...

Obwohl wir nicht die Antennen zum Thema haben, ist es nützlich, im Teil 2 die wenigen Hinweise zu Speiseimpedanzen von Antennen sowie gewisse "Antennensünden" zu studieren.

Im Teil 3 betrachten wir das Zusammenspiel von einem Koaxialkabel (Impedanz 50 Ohm) mit dem Speisepunkt der Antenne. Es entstehen Stehwellen auf dem Kabel, die am Punkt der Einspeisung, also beim Transceiver, neue Impedanzen ergeben. Gibt uns ein Stehwellenmesser genaue Auskunft oder nur Hinweise auf die mögliche neue Impedanz am Kabelanfang? Was sind Vorwärts- und Rückwärtsleistung? Hier trifft man auf die größten Irrtümer und Fehlinterpretationen in Amateurkreisen. Das ist nicht verwunderlich, denn es existiert zahlreiche Literatur, die falsch oder zumindest so ungenau ist, daß man leicht auf falsche Fährten gebracht wird. Hierzu empfiehlt sich das ausgezeichnete Buch REFLECTIONS von M. Walter Maxwell, W2DU (ARRL 1990)(1).

Schließlich möchten wir auch wissen, wie sich unser Transceiver gegenüber beliebigen Impedanzen am Kabelanfang verhält. Im Teil 4 stellen wir fest, daß bei schlechter Anpassung nicht nur die Leistung reduziert wird, sondern auch durch den dauernden Einsatz der automatischen Pegelregelung (ALC) die Splatterneiung bzw. die Bandbreite wächst.

Teil 5 erklärt dann, daß man unbedingt einen Tuner haben sollte. Diese Behauptung trifft speziell auf Kurzwellen zu, weil da auf einigen Bändern die relative Bandbreite recht groß ist, jedenfalls größer als im 2-m-Band. Zusammenfassend wird im Teil 6 versucht, einige wichtige Thesen aufzustellen.

Wer nun glaubt, den ganzen Sachverhalt bereits genau zu kennen, darf ruhig beim Lesen ab hier auf Teil 6 überspringen. Eigentlich müßte dieser Leser mit den aufgestellten Thesen einverstanden sein. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt sich das Studium der Teile 2 bis 5. M. W. Maxwell schreibt in seinem Buch treffend: "Und wenn wir entdeckt haben, wie wenig wir durch tiefe Stehwellenverhältnisse auf Speiseleitungen erreichen, werden wir uns unnötige Stunden mit Antennenanpassungen ersparen. Solche Anpassungen bringen Klettereien auf Dächern und Masten. Sie führen zu Unfällen, manchmal zu Todesfällen. Let's kill SWR misconceptions - not ham operators".

1. Begriffe festlegen

Bevor wir in die Materie einsteigen, sind einige Begriffe festzulegen. Leider haben diese Begriffe oft unterschiedliche Bezeichnungen, und sie sind auch mit unterschiedlichen Kurzzeichen anzutreffen. Das erschwert Literaturvergleiche. Nicht selten führt auch diese Tatsache zu Unverständnis und Fehlinterpretationen. Wir werden uns im weiteren Text an folgende Ausdrücke halten:

KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
PwWirkleistung
PbBlindleistung
PsScheinleistung
KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
Rohmscher Widerstand, reeller Widerstand, Wirkwiderstand, Resonanzwiderstand

Schemasymbol
Fig 1

KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
XWechselstromwiderstand, Blindwiderstand, imaginärer Widerstand, Reaktanz, Induktanzbei Induktivität, Kapazitanz bei Kapazitäten

Schemasymbol
Fig 2

KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
ρReflexionsfaktor

Erklärungen: Anstelle von ρ (Rho, griech.) findet man auch r oder p.

KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
+jXinduktiver Blindwiderstand
-jXkapazitiver Blindwiderstand

Erklärungen: j stammt aus der Mathmatik der imaginären Zahlen und bedeutet 90° Phasenverschiebung.

KurzzeichenMögliche Bezeichnungen
Zallgemeiner Ausdruck für Widerstand, bestehend aus R und X. Bezeichnungen sind Impedanz komplexer Widerstand Scheinwiderstand

Schemasymbol
Fig 3

Beispiele zum Verständnis:

Fig 4

Fig 5

Fig 6
Größe der Impedanz oder absoluter Wert der Impedanz

Z = /Z/ /-45° bedeutet, die Impedanz hat den absoluten Wert /Z/ und ist um -45° verdreht. Man spricht z. B. für /-45°: Versor minus 45° .

Fig 9

Za = Ra + jXa Impedanz des Antennenspeisepunktes. Achtung: Der Strahlungswiderstand einer Antenne ist ein theoretischer, reeller Widerstand. Er ist im allgemeinen nicht identisch mit der Speiseimpedanz einer Antenne.

Fig 10

Fig 11 Wellenwiderstand eines Kabels
L in Henry pro Längeneinheit
C in Farad pro Längeneinheit

2. Speiseimpedanzen von Antennen

Antennen sind an ihrem Speisepunkt nur bei den, Resonanzfrequenzen rein ohmsche Lasten. Wir wissen, daß eine HF-Leistungsübertragung über ein Kabel mit 50 Ohm Wellenwiderstand dann kein Problem ist, wenn die Antenne am Speisepunkt eine rein ohmsche Last von 50 Ohm darstellt. Das ist aber bei Kurzwellen ganz selten der Fall. Abb. 1 ist eine erste, sehr anschauliche Darstellung am Beispiel eines Halbwellen-dipoles.

Abb 1
Abb. 1: Wirk- und Blindwiderstände (R+X) am Speisepunkt (Mitte) eines Halbwellendipols, der mindestens 3 Wellenlängen über dem Erdboden aufgehängt ist. Wirk- und Blindwiderstand sind in Serie geschaltet. Man beachte die schnelle Zunahme des Blindwiderstandes bei nur wenig Abweichung der Speisefrequenz von. der Resonanzfrequenz.

Bei Abweichungen von der Resonanzfrequenz ändert der Wirkwiderstand R nur wenig. Viel schlimmer verhält es sich mit dem Blindanteil X. Dieser steigt sehr schnell und erreicht rund 40 Ohm bei einer Sendefrequenz, die nur 2 % von der Resonanzfrequenz der Antenne abweicht.

Wir nehmen ein praktisches Beispiel, einen Dipol für 80 m. Er sei bei 3,6 MHz auf Resonanz. Der Drahtdurchmesser beträgt 1,5 mm. Das Verhältnis von Antennenlänge zu Drahtdurchmesser liegt nahe bei der 25000er Kurve in Abb. 1. Gefragt sind die Speiseimpedanzen bei 3,5/3,6/ 3,7/3,8 MHz. Mit Abb. 1 erstellen wir die Tabelle 1.

Tabelle 1
f(MHz)% AbweichungWirkwidBlindwid.SWR auf 50-Ω-Kabel
3,5-2,863-552,6
3,606801,4
3,7+2,873+552,6
3,8+5,576+1004,4

Das Stehwellenverhältnis (SWR) ist aus einer Smith Chart ermittelt. An dieser Stelle soll das SWR nur zur Kenntnis genommen werden (Abb. 2). Der Teil 3 geht später genauer auf das Wesen der Stehwellen ein.

Abb 2
Abb. 2: Stehwellenverhältnis (SWR) auf einem 50-Ohm-Kabel, das den 80-m-Dipol des vorangehenden Beispieles speist. Es ist ein idealer Balun 1:1 angenommen.

Was gibt es nun für Möglichkeiten; den Wirkwiderstand des Dipoles von 68 Ohm auf 50 Ohm zu bringen, damit im Resonanzfall das SWR 1:1 resultiert?

Abb. 1 deutet an, daß bei dickerem Antennendraht der Widerstandswert fällt. Abgesehen von Sonderlösungen ist dieser Weg auf Kurzwellen unpraktisch. VHF- und UHF-Dipole dagegen können mit so dicken Rohren ausgeführt werden, daß die gewünschten 50 Ohm Wirkwiderstandrealistischsind. Gleichzeitig hat man den Vorteil, daß der Blindanteil bei Abweichung von der Resonanzfrequenz weniger schnell ansteigt.

Für Kurzwellen vergessen wir diese Lösung und betrachten die nächste Möglichkeit. Hängt man den Dipol in einer Höhe von nur etwa 15 T. der Wellenlänge auf, dann kann der Resonanzwiderstand auf etwa 50 Ohm abfallen. Das zeigt sehr schön die Abb. 3.

Abb 3
Abb. 3: Änderung des Resonanzwiderstandes beim horizontalen Halbwellen-Dipol in Funktion der Höhe über perfekt leitendem Boden, über schlecht leitendem Boden.

Der Resonanzwiderstand ändert sehr stark mit der Höhe des Dipols über dem Boden. Das tiefe Aufhängen des Dipols über dem Boden bringt zwei wesentliche Nachteile. Es wird daraus ein Steilstrahler mit schlechten DX-Eigenschaften, und es geht zusätzlich HF-Energie im darunterliegenden Boden als Wärme verloren.

Nicht nur der betrachtete Dipol, sondern alle KW-Antennen wie GPs, Loop-, Beam- und Multibandantennen werden nie ein SWR von 1:1 über ein ganzes Amateurband haben. Im Gegenteil, eine gute Antenne, die weder im Anpaßnetzwerk (z. B. Balun) noch anderswo Verluste hat, muß außerhalb der Resonanzfrequenz erhebliche Blindanteile im Speisewiderstand aufweisen, was eben die starke Zunahme des SWR außerhalb der Resonanzfrequenz erklärt. Bei richtiger Konzeption einer Anlage spielt das hohe SWR praktisch keine Rolle. Zum Trost für den Leser ist diese Behauptung hier vorweggenommen. Sie wird einige Leser überraschen. Die Erklärung folgt im Teil 3.

An dieser Stelle folgen noch einige Hinweise zu sogenannten "Antennensünden". Damit läßt sich eine Breitbandigkeit der Anrennen erzwingen, aber nur auf Kosten von Verlusten.

3. Die Übertragung der Hochfrequenzleistung vom Sender zur Antenne mit stehwellenbehafteten Koaxialkabeln

In diesem Teil diskutieren wir Reflexionen, ihr Entstehen und die Folge davon, nämlich Stehwellen. Wir werden von Vorwärts- und Rückwärtsleistung hören. Das sind einige von vielen, sehr schwer verständlichen Begriffen aus der Übertragungstechnik. Sehr einfache Erklärungen dazu gibt es nicht. Der ganze Teil 3 geht von der Tatsache aus, daß wir auf jeden Fall - wie im Teil 2 erklärt - Stehwellen auf unserem Kabel haben. Das Ziel aller Anstrengungen ist, trotz der Stehwellen die vom Sender maximal erhältliche Leistung zu 100 % in die Antenne zu leiten.

Für Leser, die nicht gewillt sind, diese recht komplizierten Darstellungen der Übertragungstechnik zu studieren, soll eine einfache Energiebilanz-Betrachtung im folgenden Abschnitt dienen. Wer diese Betrachtung begriffen hat, kann sich alle weitere Theorie ersparen. Etwas mehr Theorie folgt dann im Anschluß an die Energiebetrachtung. Tatsache ist, daß ein Sender seine volle Leistung an eine Antenne abgeben kann, auch dann, wenn zur Übertragung der Energie ein Koaxialkabel eingesetzt ist, das im Betrieb die berüchtigten Stehwellen aufweist (Speiseimpedanz der Antenne entspricht nicht dem Wellenwiderstand des Kabels). Wir machen uns vorläufig keine Gedanken über das Wesen von Stehwellen, halten aber fest, daß ein Transistorsender sehr widerwillig auf ein Kabel mit Stehwellen reagiert. Im Teil 4 werden wir sehen, wie unglücklich der Transistorsender dabei ist.

Wie schafft man diese 100 % "Leistungsabgabe an 'die Antenne? Der "Trick" ist käuflich, oder man kann ihn selber bauen. Die Erklärung soli mit Hilfe der Abb. 4 gegeben werden. Sie vernachlässigt allerdings die kleinen Verluste, die jedes eingezeichnete Element (Kondensatoren und Induktivitäten) hat.

Abb 4
Abb. 4: Ersatzschaltung einer Antennenlast, die an einem Speisekabel angeschlossen ist. Die genannten L- und C-Werte im Kabel entsprechen dem Typ RG213. Das Fragezeichen fragt nach der Impedanz am Einspeisepunkt, also dort,wo der Sender angeschlossen wird.

Diese Vernachlässigungistzulässig. Erst bei großen Kabeldämpfungen geht das nicht mehr. Hinweise dazu später.

Das große Fragezeichen am Einspeisepunkt des Kabels will aussagen, daß hier sicher nicht mehr die Impedanz gemessen werden kann, wie sie direkt an der Antenne meßbar wäre. Eine Ausnahme bleibt für später vorbehalten. Bei 10 m Kabellänge hätten wir 1000 Stück der gezeichneten L/C-Glieder in Serie. Keines davon kann jedoch Verluste, also Wärme, erzeugen. Sie sind ja als verlustlos angenommen worden.

Am Kabelanfang, also beim Fragezeichen, messen wir eine Impedanz, deren Ersatzschaltung wiederum aus einem ohmschen Widerstand in Serie zu einer Blindkomponente (L oder C) besteht. Die Blindkomponente kann durchaus ein L sein, während die Antenne selber wie in Abb. 4 kapazitiv ist. "

Was wir beim Fragezeichen messen, hängt von der Meßfrequenz und der Anzahl L/C-Glieder - also der Kabellänge - ab. Eine ganz wichtige Teilerkenntnis: Was am Ort des Fragezeichens als Wirkleistung hineingepumpt werden kann, geht zu 100 % in den Wirkwiderstand der Antenne. Kein anderes Element ist in der Lage, Wirkleistung aufzunehmen. Denn zwischen Strom und Spannung in allen Einzelelementen besteht eine Phasenverschiebung von φ = 90°. Damit ist der Faktor cos φ = 0. Und die Wirkleistung Pw beträgt Pw = U × I × cosφ = 0 Watt.

Wir sind noch nicht am Ende mit der Leistungsbetrachtung. Denn unser Transistorsender kann seine Leistung von beispielsweise 100 Watt nur dann liefern, wenn er mit 50 Ohm reell (ohmisch) belastet wird. Gerade das ist in Abb. 4 nicht der Fall. Wie hilft man sich? Mit einer Anpaßschaltung (Matchbox, Tuner) sorgt man an der Stelle des Fragezeichens für eine sogenannte Kompensation des dort erschienenen Blindanteiles. Zu einem induktiven Blindanteil L schaltet man eine Kapazität mit betragsmäßig gleicher Impedanz in Serie. Das L und das C bilden dann zusammen einen Serienschwingkreis. Dieser hat bekanntlich 0 Ohm bei der Resonanzfrequenz.

Mit einer solchen Kompensation ist zunächst der Blindanteil verschwunden. Aber der ohmsche Anteil blieb unverändert und entspricht keineswegs 50 Ohm. Mittels Transformation sorgen wir noch für die 50 Ohm. Ein HF-Transformator mit variabler Windungszahl wäre sehr schwierig herzustellen. Es ist auch nicht nötig. Induktivitäten und Kapazitäten, richtig zusammengeschaltet, lassen es zu, nicht nur zu kompensieren, sondern gleichzeitig auch zu transformieren (übersetzen). Dies wiederum verlustlos, denn man braucht dazu keine ohmschen Widerstände, sondern allein Kapazitäten und Induktivitäten. Fassen wir mit Abb. 5 zusammen.

Abb 5
Abb. 5: Richtig konzipierte Sendeanlage. Die volle Sendeleistung wird zur Antenne transportiert.

Noch etwas Kommentar zur Abb. 5. Die Matchbox ist mit ihren variablen Elementen so einzustellen, daß ein Stehwellenmesser im Verbindungsstück Sender -Matchbox ein SWR 1:1 anzeigt. Das Verbindungsstück darf beliebig lang sein, und das Meßgerät (oft im Transceiver eingebaut) darf an beliebiger Stelle eingeschleift werden.

Anders jedoch, wenn die Länge des Kabels Matchbox - Antenne verändert wird. Die Matchbox sieht dann immer eine andere Impedanz, und sie ist neu einzustellen. Dasselbe gilt für Frequenzänderungen sogar innerhalb eines Amateurbandes.

Hier sei dieser Abschnitt nochmals zusammengefaßt: Es gelingt also, mit einer Matchbox dem Sender eine Last von 50 Ohm anzubieten, während die Speiseimpedanz auf das eigentliche Antennenkabel ganz andere: Werte mit Blindanteilen haben kann. Dabei wird die volle Leistung auf den Wirkwiderstand der Antenne übertragen. Das war unser Ziel.

Zu erwähnen wäre noch, daß ein mit oder ohne Stehwellen betriebenes Koaxialkabel eine derart geringe HF-Leistung abstrahlt, daß wir diesen Strahlungsverlust vollständig vernachlässigen. Dagegen können in einem Meßlabor Abstrahlungen eines Koaxialkabels bereits im Milliwattbereich sehr störend sein. Dasselbe gilt bei Problemen mit TVI, wenn Sender- und Fernsehkabel zu nahe beieinander liegen. Nur sogenannte Mantelwellen auf dem Koaxkabel strahlen HF-Leistung ab. Sie entstehen dann, wenn ein Koaxialkabel in das strahlende Antennensystem einbezogen wird. Beispiele sind: Speisung eines Dipols mit Koaxialkabel ohne Balun oder Speisung einer GP-Antenne, die keine oder nur einzelne Radials hat, denn da hilft der Mantel des Koaxialkabels als sogenanntes Gegengewicht mit. Wem die Energiebetrachtung im obigen Abschnitt mit den Abb. 4 und 5 nicht genügt, kann sich in diesem zweiten Abschnitt des Teiles 3 mit etwas mehr Übertragungstheorie beschäftigen. Eine gründliche Theorie ist ellenlang, erfordert mathematische Kenntnisse und ist in vielen Fachbüchern richtig enthalten. Das Übel in dieser komplexen Sache besteht darin, daß viele Amateure es wissen möchten, glauben dann, es zu verstehen, und schreiben zugunsten anderer Artikel mit zu vielen Vereinfachungen. Das führt auf schiefe Bahnen. M. W. Maxwell, W2DU, zitiert in seinem Buch REFLECTIONS(1) mengenweise Artikel, insbesondere aus USA, mit falschen Schlüssen über die ganze Theorie. 1m Rahmen unseres Aufsatzes ist es völlig unmöglich, ein umfassendes Verständnis der Übertragungstheorie zu verniiIteln oder irgendeine Tatsache daraus zu beweisen. Es geht also darum, dem Amateur Wissen zu vermitteln, das ihn interessieren könnte.

Was von Experten der Theorie immer wieder vergessen wird, ist die Tatsache, daß ein Transistorsender nicht einer Standard-Leistungsquelle entspricht, welche aus einer konstanten Spannungsquelle und einem festen ohmschen Widerstand besteht. Die Theorie wird also nicht konsequent zu Ende geführt. So geschieht es beispielsweise, daß die falsche Idee verbreitet wird, bei einem SWR 3:1 würde der Transistorsender immerhin noch 75 To (auch ohne Tuner) von seiner maximal möglichen Leistung abgeben. Das stimmt bei Transistorsendern nicht. Transistorsender sind Stromgeneratoren, die außerdem bei voller Aussteuerung in ihrer Spannungsgrenze betrieben werden. Die abgegebene Leistung bei SWR 3:1 liegt eindeutig unter den genannten 75 %. Zur Senderanpassung verweisen wir auf den Teil 4.

Nun aber zur Übertragungstheorie. Die Theorie baut auf zwei Tatsachen auf. Zunächst ist die Übertragungszeit zu berücksichtigen, bzw. die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektrischen Wellen ist nicht unendlich groß. Es ergeben sich zwischen dem Geschehen am Anfang einer Leitung und dem, was an deren Ende passiert, zeitliche Verschiebungen.

Die zweite Tatsache ist die Reflexion am Ende eines Kabels, wenn dieses nicht mit seinem charakteristischen Wellenwiderstand (50 Ohm reell) abgeschlossen ist. Reflexionen von mechanischen Wellen hat jeder schon beobachtet. Man schlägt mit einem Stock auf ein gespanntes Seil einer Seilbahn und spürt dann nach Ablauf der Wanderzeit - evtl. einige Sekunden später - den reflektierten Schlag im Seil. Die Einspannstelle des Seils, z. B. ein Betonblock, ist eben so hart, daß er die ankommende Welle nicht ganz abdämpft. Sie wird größtenteils zurückgeschickt. Das ist bei elektrischen Wellen nicht anders. Die Größe der Reflexion und eine zugehörende Phasenverschiebung kann sogar genau berechnet werden. Man definiert einen Reflexionsfaktor p, der zwischen 0 und 1 liegt und zudem einen Phasenwinkel hat.

Za: Impedanz des Antennenspeisepunktes
Zo: Wellenwiderstand des Kabels, in der Regel 50 Ohm reell
ρ: Reflexionsfaktor, bestehend aus Betrag /p/ und Phasenwinkel n also /ρ/ /n°

Fig 12

Die reflektierte Spannungswelle Ur schreibt sich dann Ur = ρ × Ua, wobei Ua die am Antennenspeisepunkt angekommene Spannungswelle bedeutet.

Nun versuchen wir, uns anhand eines dreidimensionalen Bildes vorzustellen, wie sich Zeitverzögerung und reflektierte Welle auf einer Leitung auswirken. Abb. 6a stellt ein Leitungsstück von etwa 0,3 Wellenlängen dar. Eine Momentaufnahme zur Zeit t0 = 0 zeigt, daß der Spannungspfeil am Anfang der Leitung gerade den positiven Scheitelwert der Sinusspannung erreicht hat. Dieser Pfeil dreht sich mit der Zeit im Gegenuhrzeigersinn. Die Anzahl Umdrehungen pro Sekunde entsprechen der eingespeisten Frequenz. Auf der senkrechten Achse des Koordinatenkreuzes liest man die augenblickliche Spannung ab. Rechts vom Leitungsanfang ist die zugehörende Sinusspannung kurz vor und nach to aufgezeichnet.

Aber zurück zur Zeit to. Weil eine gewisse Zeit verstreicht, bis am Leitungsende dasselbe Signal wie am Leitungsanfang ansteht, ist am Leitungsende der Spannungspfeil zeitlich zurückversetzt. Die positive Scheitelspannung ist noch nicht, ganz erreicht. Zeichnet man über die ganze Leitungslänge die zur Zeit to vorliegenden Spannungspfeile ein und verbindet deren Spitzen mit einer Linie, entsteht eine Art Spirale. Diese dreht sich mit der Frequenz um die Leitung.

Konstruieren wir mit dem Pfeil am Leitungsende die Sinusspannung, ergibt sich genau dieselbe wie am Leitungsanfang, nur ist die Spannung am Ende nacheilend, also phasenverschoben.

Es ist leicht einzusehen, daß das Maß der Phasenverschiebung von der Leitungslänge und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrischen Energie auf dem Kabel abhängig ist. Abb. 6a stellt die Leitung dar, wenn sie keine Verluste hat und am Ende nichts reflektiert wird, also: Za = Z0. Würde man eine kleine Leitungsdämpfung im Bild berücksichtigen, wäre der Kreisdurchmesser am Leitungsende etwas kleiner als derjenige am Anfang.

Als nächsten Schritt in unserer bildlichen Darstellung betrachten wir in Abb. 6b eine reflektierte Welle. Gemäß Reflexionsfaktor p startet diese Welle am Ende mit einem anderen Betrag und Phasenwinkel im Vergleich zur ankommenden Welle der Abb. 6a.

Abb 6
Abb. 6: Dreidimensionale Darstellung über das Entstehen der Stehwellen: a) Momentaufnahme der zur Antenne laufenden Welle; b) Momentaufnahme einer zum Sender zurücklaufenden Welle mit p = 0,5 /-45°; c) Vektorielle Addition der vor- und rücklaufenden Welle; d)Spannungsverlauf auf der Leitung, dieser ist nicht sinusförmig. Er wird als Stehwelle bezeichnet. Gestrichelt sind die Fälle kurzgeschlossenes und offenes Leitungsende eingezeichnet.

Unser Beispiel geht davon aus, daß ρ = 0,5 /-45° betrage. Also ist die Pfeillänge nur halb so lang und um 45° nacheilend. Mit diesem Pfeil startet nun die reflektierte Welle zum Leitungsanfang zurück. Auch hier spielt die Laufzeit der Welle eine Rolle. Gut überlegen! Die rücklaufende Spirale, gebildet aus allen Pfeilspitzen der reflektierten Welle, hat die umgekehrte Steigung gegenüber der vorlaufenden Spirale. An jeder Stelle der Leitung haben wir als Resultat die Summe von zwei Spannungen, gebildet aus einem Pfeilpaar. Siehe dazu die Abb. 6c.

Ein Pfeilpaar verändert seine Längen nicht, ebenso ist der Winkel zwischen den beiden Pfeilen konstant. Deshalb muß die resultierende Pfeillänge an jeder Leitungsstelle konstant bleiben. Das ist aber eine Sinusspannung mit einem festen Scheitelwert, der dem Kreisdurchmesser an dieser Stelle entspricht, denn dieser neue Pfeil dreht sich genau wie die zwei ursprünglichen Pfeile mit der Sendefrequenz um die Drehachse (Leitung). Ist die Leitung genügend lang, so finden wir im Abstand von 1/4 der Wellenlänge ein Maximum und ein Minimum solcher Pfeillängen (Spannung). Diese Wellenlinie bezeichnet man als Stehwelle und definiert das Stehwellenverhältnis (standing wave ratio) als

Fig 13

Diese beiden Spannungen sind entweder mit dem Spitzenwert oder dem Effektivwert einzusetzen.

Abb. 6d zeigt noch einmal die Leitung in einer Ebene betrachtet. Die darüber gezeichnete Wellenlinie bildet sich aus der Verbindung der Kreisdurchmesser entlang der Leitung, in denen unser neuer, resultierender Pfeil der Abb. 6c rotiert.

Mit der Abb. 6 haben wir gezeigt, wie die Stehwellen entstehen. Wir haben die Erklärungen anhand der Spannungen verfolgt. Es wäre auch möglich, derartige Bilder mit den Stromwerten zu zeichnen. Es zeigt sich aber ein Unterschied. An jenen Stellen, wo die Spannungswerte maximal sind (Spannungsbauch), hat der Strom gerade Minimalwerte (Stromknoten).

Korrekterweise sollten wir noch überlegen, was mit der zurückgeworfenen Welle am Leitungsanfang, also beim Sender, passiert. Hätte der Sender einen Innenwiderstand von 50 Ohm, so würde die zurückgeflossene Energie am Leitungsanfang einen idealen Abschluß ohne Reflexion finden. Auf der Leitung befindet sich nur eine Vorwärts- und nur eine Rückwärtswelle. Der Sender wird dementsprechend weniger Leistung liefern. Verstärkerausgänge beim Kabelfernsehen werden ganz bewußt so gebaut, daß eventuell zurücklaufende Energie eine ideale Anpassung am Verstärkerausgang findet. Wäre dies nicht der Fall, würde ein Teil der rücklaufenden Energie wieder in Vorwärtsrichtung auf die Leitung geschickt. Das gibt die bekannten Geisterbilder, welche schwächer sind als das Hauptbild und rechts vom Hauptbild erscheinen. Dies infolge der benötigten Laufzeit auf dem Kabel.

Ein voll ausgesteuerter Amateursender jedoch hat nicht 50 Ohm Innenwiderstand. Demnach wird in der Tat ein Teil der zurückgekommenen Energie erneut in Vorwärtsrichtung auf das Kabel gegeben und wiederum am Kabelende gemäß Reflexionsfaktor nur teilweise der Antenne abgegeben. Dieses mehrfache, aber immer schwächere Hin und Her haben wir in der Abb. 6 nicht berücksichtigt. Es existiert aber in der Praxis und würde unsere Konstruktion der Stehwellen verkomplizieren.

Der Leitungsanfang stellt nun unter dem Einfluß der Stehwellen eine Impedanz Zin dar, die nicht den gewünschten 50 Ohm reell entspricht. Je nach Reflexionsfaktor und Leitungslänge entstehen die unterschiedlichsten Wirkwiderstände mit zusätzlichen kapazitiven oder induktiven Blindwiderständen. Es ist logisch, daß ein Sender unter diesen Umständen nicht seine volle Leistung abgeben kann. Näheres zur Senderanpassung im Teil 4. Die Stehwellenmeßbrücke - heute eine Ausrüstung jeder KW-Amateurstation - zeigt leider nicht, welche Eingangsimpedanz Zin am Kabelanfang vorliegt, Das SWR auf einen Kabel sagt wirklich nur aus, wie das Verhältnis von maximalen zu minimalen Spannungs- bzw. Stromwerten aussieht. Dabei sind Zin Werte nach Tabelle 2 möglich.

Tabelle 2 - Zin
SWR 2:1 ρ=0,33SWR 3:1 ρ=0,5SWR 4:1 ρ=0,6SWR 5:1 ρ=0,66
100 + j0150 + j0200 + j 0250 + j0
90 - j25115 - j59128 - j90130 - j120
70 - j3669 - j6563 - j8355 - j94
52 - j3643 - j5336 - j6230 - j66
40 - j3030 - j4024 - j4418 - j46
33 - j2323 - j2818 - j3114 - j32
28 - j1519 - j1815 - j1911 - j20
26 - j717 - j913 - j910 - j9
25 + j017 + j012 + j010 + j0
26 + j717 + j913 + j910 + j9
28 + j1519 + j1815 + j1911 + j20
33 + j2323 + j2818 + j3114 + j32
40 + j3030 + j4024 + j4418 + j46
52 + j3643 + j5336 + j6230 + j66
70 + j3669 + j6563 + j8355 + j94
90 + j25115+j59128 + j90130 + j120
100+ j0150+j 0200 + j0250 + j0

Betrachten wir die Spalte SWR 2 : 1 etwas genauer. Der reelle Widerstand liegt zwischen 25 und 100 Ohm. Der in Serie dazu gedachte Blindwiderstand kann im Maximum 36 Ohm betragen. Bei all den 16 untereinander aufgeführten Beispielen von Wertepaaren mißt unser Stehwellengerät immer ein SWR von 2:1. Folge: Das SWR-Meßgerät gibt keine Auskunft über die Eingangsimpedanz Zin eines mit Stehwellen behafteten Koaxialkabels. Lediglich die Grenzen von Zin = Rin + jXin sind mit dem SWR gegeben. Deshalb wird der Sender bei SWR 2 : 1 unterschiedliche Leistungen liefern, je nachdem welches Wertepaar Rin + jXin eben vorliegt. Die Übertragungstechnik besagt zwar, daß bei SWR 2 : 1 immer noch 90 % der maximal möglichen Leistung abgegeben wird. Das stimmt nur, wenn der Sender das typische Ersatzschema mit konstantem Innenwiderstand von 50 Ohm und einer festen Spannungsquelle hätte. Weil er das nicht hat, stimmt diese Aussage nicht. Die Übertragungstheorie, auf einen Transistorsender angewendet, ist bei obiger Behauptung eben nicht konsequent zu Ende geführt.

Tiefpaßfilter und Anpassung

Ein weiterer wichtiger ('unkt bei der Leistungsübertragung wird oft vergessen. Es handelt sich um die nachträglich in Speisekabel eingeschleiften Tiefpaßfilter zur Unterdrückung höherer Harmonischer, d.h. Maßnahmen zur TVI- und BCI-Bekämpfung. Die Dämpfungsangaben solcher Filter stimmen nur, wenn diese mit 50 Ohm reell abgeschlossen sind. Ist dies nicht der Fall, kann die Dämpfung im Sperrbereich kleiner werden, und die lmpedann am Filtereingang entspricht in keiner Weise der Kabelimpedanz Z am Anfang des Kabels. Was tatsächlich in jedem Fall passiert, läßt sich mit PC-Programmen berechnen. Tabelle 3 ist ein Beispiel mit gemessenen Werten und dementsprechend nicht genau.

Tabelle 3
f (MHz)Zin ohne TPSWRZin mit TPSWR
21,030 + j2,52,3115 - j22,2
21,128 - j82,5120 - j763,4
21,228 - j283,045 - j733,6
21,338 - j503,033 - j402,9
21,475 - j552,433 - j202,2
21,585 - j71,737 - j51,6
TP: Tiefpaßfilter mit ca. 35 MHz Grenzfrequenz

Man kann es nicht genügend wiederholen: Es gelingt nicht, KW-Amateurantennen so zu bauen, daß die Sender und damit auch die Tiefpaßfilter ordentlich funktionieren, es sei denn, man verwende eine Matchbox, auch Tuner genannt. Dazu nochmals die Erinnerung an Abb. 5, welche das richtige Konzept einer Amateuranlage zeigt.

Es ist tatsächlich so, daß die vom Sender gelieferte Wirkleistung der abgelesenen Vorwärtsleistung minus der reflektierten Leistung entspricht. Voraussetzung ist, daß das Instrument eine vernünftige Qualität hat und keine Mantelwellen auf dem Kabel vorhanden sind. Mantelwellen wurden bereits erwähnt und erklärt. Sie entstehen, wenn das Speisekabel in das strahlende Antennensystem einbezogen wird.

Bis jetzt haben wir die Ausdrücke Vorwärtsleistung und Rückwärtsleistung bewußt vermieden, obwohl die Skalen von vielen SWR-Metern neben dem SWR auch diese Leistungen anzeigen.

Noch ein Wort zu den erhöhten Verlusten, wenn Stehwellen vorhanden sind. Dadurch, daß an gewissen Stellen auf dem Kabel höhere Ströme (Strombäuche) und an anderer Stelle höhere Spannungen (Spannungsbäuche) vorhanden sind, als dies bei einem Betrieb mit SWR 1 : 1 der Fall wäre, entstehen leicht erhöhte Verluste. Diese Verluste entstehen nur, weil das Kabel doch nicht ganz verlustfrei ist, wie dies zur Vereinfachung der ganzen Betrachtungen anfänglich angenommen wurde. Bis zu einem SWR von 3 : 1 dürfen wir diese Zusatzverluste vergessen. Sie sind sicher geringer als die des Kabels bei SWR 1 : 1. Erst bei SWR ab 4,5 : 1 sind die Zusatzverluste etwa gleich groß wie die Verluste auf dem Kabel bei SWR 1 : 1.

Es lohnt sich nicht, über diese Verluste länger zu theoretisieren. Genaue Diagramme findet man in der Amateurliteratur, z. B. im Kapitel 16 des ARRL Handbuches.

Teil 1 - Teil 2

HB9MY, Walter Berner.