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Troposphärische Überreichweiten bei VHF- und UHF-Funkverbindungen

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An verhältnismäßig wenigen Tagen im Jahr erzielen UKW-Sender eine weit über das Normale hinausgehende Reichweite. Derartige Überreichweiten werden vielfach zuerst an leistungsstarken Rundfunk- und Fernsehsendern wahrgenommen, wo sie sich - besonders in den Bändern I und II - als Gleichkanal-Störungen äußern. In den Fernsehbändern III und IV/V, besonders aber in den Amateurfunk-Bändern bei 2 m und 70 cm sind die Überreichweiten für reizvolle Beobachtungen beziehungsweise Funkverbindungen sehr willkommen.

Vielfach bestehen über die Ursachen der Überreichweiten unklare oder falsche Vorstellungen. So ist zum Beispiel ein Hochdruckgebiet allein noch kein Grund für Überreichweiten. Bereits 1952 versuchte Dr. K. Lickfeld, DL3FM, eine Erklärung für die Überreichweiten zu bringen(1). Manche seiner Deutungen haben heute noch Gültigkeit, während andere durch den Stand der Forschung überholt sind. Ein Referat von H. Fehlhaber vom Funktechnischen Zentralamt der Deutschen Bundespost (FTZ) auf der UKW-Tagung 1970 in Weinheim(2), sowie eine Veröffentlichung von J. Großkopf(3) dienten als Unterlagen für diese Arbeit.

1. Definition der Überreichweiten

(Amateur-) Funkverbindungen gelten als Überreichweiten-Verbindungen, wenn mehr als 300 km mit mindestens 20 dB Signal-/Rauschabstand auf der Empfangsseite überbrückt wurden. Dies soll für eine "mittelmäßige" Stationsausrüstung bei nicht übermäßig exponierter Lage für das 2-m-Band gelten. Bei diesen Feldstärken sind Telegrafie- und SSB-Signale sicher, AM- und FM-Signale bei gutem Modulationsgrad bzw. Frequenzhub gerade noch vollständig lesbar.

2. Grundlegende Beobachtungen

Das FTZ hat an einer Funkstrecke zwischen Krefeld und Ventnor (470 km) im Lauf mehrerer Jahre zahlreiche Erkenntnisse gewonnen. So stellte sich heraus, daß die Häufigkeit von Überreichweiten in den Monaten August bis einschließlich Januar weitaus größer war als in den anderen Monaten. Bild 1 zeigt die gefundene Häufigkeitsverteilung, die durch Funkamateur- Beobachtungen immer wieder im Prinzip bestätigt wird. Um die Ursachen zu ergründen, wurden von Wetterämtern an der Verbindungsstrecke Krefeld - Ventnor die Wetterdaten mit Hilfe von Ballonsonden während und nach den Überreichweiten gemessen. Die Wetterdaten zeigten, daß in bestimmten Höhen Inversionen vorhanden waren. Bei durchgehenden Inversionen unter 500 m fand Überreichweiten-Übertragung statt, andernfalls waren die Übertragungsbedingungen nur normal (Bild 2).

Bild 1
Bild 1: Häufigkeitsverteilung von VHF-Überreichweiten über das Jahr

Bild 2
Bild 2: Auf- und Abbau einer Inversion zwischen Krefeld und Ventnor

3. Die Inversion

Die Lufttemperatur in der Troposphäre sinkt normalerweise mit wachsender Höhe über dem Erdboden um 0,65 °C bis 1 °C je 100 m. Bild 3 zeigt diesen im Prinzip gleichmäßigen Temperaturabstieg. Durch intensive Sonnenstrahlung wird der Erdboden am Tag erwärmt; er gibt die gespeicherte Wärme während der Nacht an die bodennahen Luftschichten wieder ab, wodurch der in Bild 4 gezeigte Temperaturverlauf entstehen kann. Dieses Umkehren des Temperaturgangs (= Inversion) wird oft in den Morgenstunden besonders ausgeprägt, wenn die Luft bereits stark abgekühlt ist, der Erdboden aber noch Wärme speichert. Diese Erscheinung wird als Bodeninversion bezeichnet.

Bild 3
Bild 3: Normaler Temperaturverlauf der Troposphäre

Bild 4
Bild 4: Bodeninversion

Eine Inversion kann auch an Wolken oder Dunst-Obergrenzen entstehen, wie Bild 5 im Prinzip zeigt, indem ein Teil der Wärmestrahlung reflektiert wird, so daß die Temperatur dort abfällt.

Bild 5
Bild 5: Inversion durch scharf begrenzte Wolkenschicht (Höheninversion)

Absinkende Luftmassen in Hochdruckgebieten erwärmen sich durch den steigenden Druck. So kann es geschehen, daß schließlich die sinkenden Luftmassen wärmer sind als die darunterliegende bodennahe Schicht. Diese Art von Inversion (Bild 6) wird als Pbsinkinversion bezeichnet. Sie ist häufig von größeren Sprüngen der Feuchtigkeitsverteilung begleitet.

Bild 6
Bild 6: Absinkinversion

Eine Inversion schließlich, die sehr große Überreichweiten ermöglicht, ist die Advektions-Inversion. Sie entsteht, wenn sich horizontal bewegte warme und meist auch trockene Luftmassen über kältere Luftmassen schichten.

4. Auswirkungen von Inversionen

Die ultrakurzen Wellen sind hinsichtlich ihrer Ausbreitung den Lichtwellen ähnlich; sie können also auch gebrochen oder reflektiert werden. Eine Inversion stellt nun eine Grenzschicht zwischen kalter, dichter und warmer, weniger dichter Luft dar. Eine solche Grenzschicht verhält sich gegenüber ultrakurzen Funkwellen ähnlich wie zum Beispiel eine Wasseroberfläche (Grenzschicht zwischen Wasser und Luft) gegenüber einem Lichtstrahl. Die Bilder 7 und 8 zeigen, in welche Richtung elektromagnetische Wellen gebrochen werden, wenn sie eine Grenzschicht zwischen einem dünneren und einem dichteren Medium einmal vom dichten, einmal vom dünneren Medium her treffen. Es ist zu erkennen, daß eine Brechung im für den UKW-Funk erwünschten Sinn bzw. eine totale Reflektion nur dann stattfinden kann, wenn die elektromagnetische Welle die Grenzschicht vom dichteren Medium her erreicht. Auf die Troposphäre bezogen heißt das: Die UKW-Funkwellen einer Station auf der Erdoberfläche können nur dann der Erdkrümmung entsprechend gebrochen oder reflektiert werden, wenn eine wärmere (dünnere) Luftschicht über einer kälteren (dichteren) Luftschicht liegt. Dies ist bei Inversionen der Fall.

Bild 7
Bild 7: Brechung bzw. Reflektion bei Einfall der elektromagnetischen Wellen vom dichteren Medium her

Bild 8
Bild 8: Brechen der elektromagnetischen Wellen bei Einfall vom dünneren Medium her

Je größer der Temperatursprung in der Inversion ist, desto größer ist der Dichte-Unterschied und somit der Brechungsindex. Je größer der Brechungsindex ist, desto steiler einfallende Wellen können total reflektiert werden. Ein begleitender Feuchtesprung verstärkt den Dichte-Unterschied noch. Daneben ist die Dicke der Inversion von Bedeutung. Die meisten Inversionen kommen in Bodennähe vor und haben Dicken bis zu 200 m im Sommer und bis zu 300 m im Winter. Bei den seltener auftretenden Höheninversionen ist eine Messung schwierig. Man schätzt ihre Dicke auf 10 m bis 100 m(3). Sie treten in einer Höhe bis zu 2000 m auf. Mit derartigen Inversionen lassen sich allerdings nur Überreich-weiten bis zu 400 km erklären.

5. Der "Duct"

Funkverbindungen über die erwähnten 400 km hinaus kommen durch mehrfache Reflektion zustande. Dazu ist das gemeinsame Auftreten einer Boden- und einer Höheninversion günstig, da der Erdboden im allgemeinen kein ausreichendes Reflektionsvermögen aufweist. Bei Auftreten einer solchen doppelten Inversion werden die Funkwellen wie in einem Hohlleiter zwischen der Höhen- und der Bodeninversionsschicht hin und her geworfen und dadurch oft bis über 1000 km weit geleitet. Dieser Inversions-Wellenleiter wird auch als "duct" bezeichnet.

Bild 9 zeigt den stark überhöht gezeichneten prinzipiellen Verlauf der Funkwellen in einem "duct" zwischen einer Bodeninversion und dem Erdboden. Die Erdoberfläche ist hier zur Vereinfachung waagerecht dargestellt, so daß horizontal verlaufende Wellen in dieser Skizze gekrümmt zu zeichnen sind. Man erkennt, daß Wellen mit geringen Erhebungswinkeln im "duct" weitergeleitet werden.

Bild 9
Bild 9: Boden-Duct

Bild 10 zeigt dagegen einen hochliegenden "duct", der auch Wellen mit größeren Erhebungswinkel weiterleitet. Die horizontal abgestrahlte Wehe trifft hier die obere Grenzschicht in einem so steilen Winkel, daß keine Totalreflektion stattfinden kann.

Bild 10
Bild 10: Hochliegender Duct

5.1. Niederigste Übertragungsfrequenz im "Duct"

Die kleinste Abmessung eines Hohlleiters, seine lichte Höhe, bestimmt die tiefste Frequenz, die der betreffende Hohlleiter übertragen kann. In ähnlicher Weise bestimmt die Dicke eines "ducts" die Frequenz, für die er optimale Ausbreitungsbedingungen schafft. Nach (3) besteht folgender Zusammenhang:

λ = 2,5 × 10-3 × d × √ΔM

ΔM wird als Amplitude des "ducts" bezeichnet, d ist seine Dicke. Die höchsten bisher beobachteten Werte für die Amplitude betragen 40. Damit muß die Dicke d für eine Wellenlänge von 2 m mindestens 130 m betragen. Für das 70-cm-Band ist hierbei nur eine Dicke d von etwa 50 m erforderlich.

6. Wetterlage als Voraussetzung für Ducts

Möglichkeitenfür sehr große Überreichweiten bestehen bei hochliegenden "ducts". Sie bestehen aus einer Boden- und einer Höheninversion. Für die Bodeninversion sind sonnige Tage und wolkenlose Nächte, die für eine kräftige Abkühlung sorgen, Voraussetzung. Derartige Bedingungen bestehen am häufigsten bei Hochdrucklagen im Herbst. Für eine Höheninversion muß zusätzlich eine warme, trockene Luftströmung auf kalte Luftmassen aufgleiten. Für eine großflächige, horizontale Schichtung ist Voraussetzung, daß möglichst keine örtlichen Turbulenzen auftreten.

Solche Warmluft kann Mitteleuropa nur aus den Landgebieten Nordafrikas oder aus Osteuropa erreichen. Nachdem die Luft auf der Nord-Halbkugel der Erde Hochdruckkerne im Uhrzeigersinn umströmt, können die erwähnten warmen Luftmassen nur an der Süd-, West- oder eventuell noch Nordwestseite eines Hochs erwartet werden. Bild 11 zeigt diesen Sachverhalt schematisch. Derartige Bedingungen treffen vor allem bei langdauernden und damit ruhigen Hochdrucklagen im späten Herbst und frühen Winter zusammen.

Bild 11
Bild 11: Für Oberreichweiten günstige Großwetterlage

Zahlreiche Beobachtungen von Funkamateuren erhärten diese Überlegungen. Die Bilder 12, 13 und 14 zeigen einige der bei solchen Wetterbedingungen erzielten Überreichweiten-Verbindungen im 2-m-Band. Bei ähnlichen Gelegenheiten wurde beobachtet, daß bei Abflauen der Überreichweiten-Bedingungen für das 2-m-Band noch immer Entfernungen bis 800 km im 70-cm-Band überbrückt werden konnten. Dies scheint zu bestätigen, daß "duct"-Amplitude und -Dicke für 70-cm-Verbindungen geringer sein können als für 2-m-Verbindungen. Der Verfasser möchte daher die These aufstellen, daß Überreichweiten-Verbindungen im 70-cm-Band häufiger zustande kommen können als im 2-m-Band.

Bild 12
Bild 12: Großwetterlage am 29/30-10-1969 und enige Überreichweiten-Verbindungen.

Bild 13
Bild 13: Großwetterlage am 6-7-1970 gegen 18:00 GMT und enige Überreichweiten-Verbindungen.

Bild 14
Bild 14: Großwetterlage am 7-7-1970 gegen 21:00 GMT und enige Überreichweiten-Verbindungen.

7. Beobachtungs-Tätigkeit

Im Gegensatz zu ähnlich großen Überreichweiten durch eine sporadische E-Schicht - diese tritt für UKW-Frequenzen sehr selten und, wie die Bezeichnung andeutet, unvorhersehbar sporadisch auf - sind troposphärische Überreichweiten anhand der Großwetterlage vorherzusehen. Um speziell die These zu erhärten, daß 70cm-Überreichweiten häufiger möglich sind als solche im 2-m-Band, schlägt der Verfasser eine permanente Beobachtungstätigkeit vor. Daran können sich alle Funkamateure beteiligen, die für das 70-cm-Band ausgerüstet sind. Einfache Stationsausrüstungen genügen, da erwiesenermaßen bei Überreichweiten mit kleinsten Leistungen und bescheidenen Antennen sehr große Entfernungen überbrückt werden können. Wichtig ist nur, daß sich die Beobachtungstätigkeit während wenigstens drei Tagen pro Woche auf das 70-cm-Band konzentriert. Ein Tag in der Woche reicht dazu nicht aus. Die Beobachtungen sollen in einer Zentralstelle zusammenlaufen, damit sie mit Wetterdaten koordiniert und ausgewertet werden können. Wer sich daran beteiligen möchte, teile dies bitte mit den Wochentagen, an denen er aktiv sein kann, dem Sachbearbeiter für Amateurfunkbeobachtungen im UKW-Referat des DARC mit.

8. Quellenangabe

  1. Dr. K. G. Lickfeld: Zur Klärung der Ausbreitungsverhältnisse auf 2 m, Das DL-QTC, UKW-Sonderheft, Oktober 1952
  2. Fehlhaber: Vortrag auf der UKW-Tagung Weinheim 1970
  3. Jürgen Großkopf: Wellenausbreitung, B. I.-Hochschul-Taschenbücher 141 / 141a Bibliografisches Institut Mannheim 1970

Hinweise - Verbesserungen - Änderungen

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß für den letzten Transistor des NF-Verstärkers (T308) ein Schalttransistor verwendet werden sollte, weil sonst die Impulsflanken zu wenig steil sind. Falls diese Maßnahme noch nicht ausreicht, lötet man zwischen der Basis von T308 und Masse einen Widerstand von etwa 3,3 kΩ ein. Dadurch erhöht sich die obere Frequenzgrenze ganz wesentlich.

DL9AR, A. Leinemann.