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Transäquatoriale UKW-Ausbreitung

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Der folgende Artikel wird mit der freundlichen Genehmigung der australischen Zeitschrift AMATEUR RADIO wiedergegeben. Die hier beschriebene Art von UKW-Überreichweiten ist im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt. Der Grund hierfür dürfte sein, daß transäquatoriale UKW-Ausbreitung im allgemeinen auf den Äquatorgürtel der Erde bis etwa ± 40° geomagnetischer Breite beschränkt bleibt. Zu diesem Bereich gehören in Europa nur die Südspitze Italiens, Griechenland und Bulgarien. Überschreitungen dieses Bereiches sind jedoch beobachtet worden (England!) und geben Anlaß für größeres Interesse.

Bei sehr vielen Gelegenheiten wurde während der letzten 25 Jahre über den Empfang von UKW-Signalen berichtet, die auf ihren sehr weiten Strecken den Äquator mehr oder weniger senkrecht überquert hatten. Die betreffenden Frequenzen lagen im allgemeinen weit über der vorhergesagten maximal nutzbaren Frequenz (MUF) und die Signalstärken erreichten manchmal die Werte für Freiraum-Ausbreitung. Die angegebenen Reichweiten überstiegen meistens 5 000 km und gingen in einigen Fällen bis zu 18 000 km. Als Übertragungsmodus wird "anormale" transäquatoriale Ausbreitung angesehen. Im folgenden Artikel benutzt der Verfasser die Abkürzungsbuchstaben TEP (von "transequatorial propagation") zur Kennzeichnung dieser Ausbreitungsform. Dabei wird das Beiwort "anormal" fallengelassen, da sich zeigt, daß diese Ausbreitungsart nicht so anormal ist, wie man zunächst dachte.

1. Geschichtlicher Rückblick

Über die ersten interkontinentalen UKW-Verbindungen berichtet Ed Tilton in der Zeitschrift QST vom Mai(1) und Oktober 1947(2).

Die Entdeckung der TEP durch Funkamateure findet in der wissenschaftlichen Welt bis in die späten 50er Jahre und vor allem bis zum Internationalen Geophysikalischen Jahr IGY (1957/58) kaum Beachtung.

Während der Jahre 1947 bis 1951 gelangen relativ häufig Funkverbindungen zwischen Australien und Hawai, Mexiko und Argentinien, sowie den USA und Peru. Die darauffolgenden Jahre eines Sonnenflecken-Minimums sahen einen starken Rückgang, aber neue Berichte erschienen im Jahr 1955. Während der Zeit von 1957 bis 1960, und nocheinmal von 1968 bis 1971, erreichte die Zahl der Berichte einen Höhepunkt. Einige UKW-Funkverbindungen überbrückten außerordentlich lange Strecken, zum Beispiel Süd-Afrika - England (13 000 km), Buenos Aires - USA-Weststaaten (9 860 km), Argentinien - Hawai (12 150 km), Argentinien - Japan (18 760 km) und Australien - Mexiko (10 500 km).

Die erste wissenschaftliche Schrift über das Phänomen TEP erschien von Ed Tilton, W1HDQ, 1951 in Brüssel(3).

Seit den späten 50er Jahren zeigen Ionosphären-Wissenschaftler beträchtliches Interesse an dieser Form der Wellenausbreitung. Erste Erklärungsversuche dieses Phänomens zielen auf eine Verbindung der ungewöhnlichen Ausbreitung mit magnetischen Stürmen in der Ionosphäre(3) (4). Allerdings konnten nur die wenigsten Funkverbindungen mit derartigen Stürmen in Verbindung gebracht werden.

Sehr interessante Informationen über TEP ergeben sich aus Beobachtungen der Charakteristika und der Ausbreitungsmoden von TEP zusammen mit Forschungen über die Ionosphäre in Äquatornähe, die von verschiedenen Seiten (5...11) in den Jahren zwischen 1950 und 1966 durchgeführt wurden. Neben dem Sammeln von Amateurbeobachtungen wurden verschiedene Experimente durchgeführt. Dazu gehörten: Streustrahl- (scatter-) Messungen im KW- und UKW-Bereich, Ionosphärensonden mit stufenweise veränderlicher Frequenz für Messungen mit schräg einfallenden Wellen, Beobachtungen an Dauerstrich-Bakensendern sowie an Fernseh- und UKW-Rundfunksendern in Korea, Japan und der Sowjetunion, und schließlich Radiolotungen der Ionosphären-Oberseite durch Satelliten. Diese Anstrengungen führten zu einem besseren Verständnis der Ionosphären-Struktur in Aqua-tornahe und zu Hinweisen auf die verschiedenenEffekte, die TEP unterstützen(12).

Allerdings ist noch nicht alles geklärt; zur Zeit führen in Australien drei verschiedene Institutionen Forschungen auf diesem Gebiet durch. Für den Verfasser von besonderem Interesse ist die Nachtausbreitung, über die noch mehr gesagt werden wird.

2. Allgemeine Charakteristika von UKW-TEP-Signalen

Es scheinen zwei verschiedene Arten von TEP zu existieren, die sich in den Zeiten ihrer Spitzen-Häufigkeit, ihren Schwund- Charakteristika, ihren Ausbreitungsweglängen und im prinzipiellen Übertragungsmodus unterscheiden. Der eine Modus wird als Klasse I bezeichnet und zeigt die folgenden charakteristischen Eigenschaften:

  1. Spitzenhäufigkeit am mittleren bis späten Nachmittag, das heißt gegen 1200 bis 1900 Uhr lokaler Zeit, gemessen an dem Punkt, wo der Ausbreitungspfad den magnetischen Äquator kreuzt.
  2. Normalerweise starke, beständige Signale mit einer geringen Schwundrate und - noch spezifischer - eine geringe Doppler-Spreizung des Signals um etwa ± 2 Hz bis 4 Hz(12).
  3. Überbrückte Strecken von 6 000 km bis 9 000 km, manchmal auch darüber.

Der Ausbreitungsmodus für Klasse-I-TEP wird im allgemeinen als"super-mqde" oder 2F-mode bezeichnet. Wie Bild 1 zeigt, springt ein Funkstrahl, der im Punkt A abgestrahlt wird, von der "Anhäufung" am Punkt X der Ionosphäre zur Anhäufung bei Y und wird zur Erdoberfläche zurückgebeugt, die er bei B trifft. Diese "Anhäufungen" sind eine Besonderheit der Ionosphäre in Äquatornähe, die noch erläutert wird.

Der andere, als Klasse II bezeichnete Modus, zeigt die folgenden charakteristischen Eigenschaften:

  1. Spitzenhäufigkeit zwischen 2000 und 2300 Uhr Ortszeit.
  2. Hohe Signalstärken mit tiefen, schnellen Schwunderscheinungen (typisch 5 Hz bis 15 Hz), zusammen mit einer Doppler-Aufspreizung, die viel ausgeprägter ist als bei Klasse-I-TEP. Im allgemeinen ist die Doppler-Spreizung in der Größenordnung von + 20 Hz bis + 40 Hz(12).
  3. Die überbrückten Strecken sind üblicherweise kürzer als bei Klasse I, etwa 3 000 km bis 6 000 km. Manchmal sind sie allerdings länger.

Der Ausbreitungs-Mechanismus dieser Klasse von TEP wird noch nicht voll verstanden; man nimmt jedoch an, daß Unregelmäßigkeiten (dichte Elektronenwolken in einer bestimmten, spezifischen Form) in der Ionosphäre am Äquator, die nach dem erdmagnetischen Feld ausgerichtet sind, verantwortlich sind. Sie sorgen dafür, daß die Signale in einer Art Wellenleiter (duct) weitergeleitet, oder sehr wirksam gestreut werden, so daß der Ausbreitungsweg etwa die Form hat, wie sie zwischen den Punkten C und D in Bild 1 eingezeichnet ist(12).

Bild 1
Bild 1: Die Ausbreitungswege von Klasse-l- und Klasse II-TEP

Eine zusätzliche, besondere Eigenschaft von Klasse-II-TEP ist, daß wesentlich höhere Frequenzen übertragen werden können als durch Klasse-I-TEP. Es wurden Signale bis 102 MHz beobachtet, was allerdings nicht bedeuten muß, daß 102 MHz die obere Grenze für die Klasse II darstellen müssen. Vielmehr ist bis jetzt noch kein authentischer Fall mit höheren Frequenzen berichtet worden. Nachdem bisher noch keine obere Frequenzgrenze für Klasse-II-TEP feststeht, fragt sich der Verfasser, wer wohl als Erster eine TEP-Verbindung im 2-m-Band zum Beispiel zwischen Australien und Japan zustande bringen wird.

Wegen der Zeiten ihres häufigsten Auftretens wird Klasse-I-TEP manchmal als "Nachmittags-TEP" und Klasse II als "Abend-TEP" bezeichnet. Bevor nun Einzelheiten der transäquatorialen UKW-Ausbreitung diskutiert werden, ist ein Blick auf die Ionosphäre in Äquatornähe angebracht.

3. Die Äquatoriale Anormalie

Die Ionosphäre in Äquatornähe weist keine gleichmäßige Verteilung der Elektronendichte auf. Bild 1 läßt erkennen, daß die Linien gleicher Elektronendichte im Gebiet der F-Schicht eine Elektronen-Verarmung zeigen. Dies geht mit einem Anstieg der Schichthöhe über dem magnetischen Äquator einher. Nördlich und südlich des geomagnetischen Äquators liegen - ungefähr symmetrisch zu ihm zwei "Anhäufungen", die eine erhöhte Elektronendichte im Gebiet der F-Schicht darstellen. Die Anhäufungen befinden sich zwischen 10 ° und 20 ° geomagnetischer Breite(13). Die Bilder 2, 3 und 4 zeigen Karten der drei in diesem Zusammenhang interessanten Kontinentalgebiete. Die eingetragenen geomagnetischen Breitenlinien lassen den Unterschied zu den geografischen Breiten erkennen und zeigen, in welchen Gebieten der Erde TEP-Verbindungen möglich sind.

Bild 2 Bild 3 Bild 4
Bilder 2, 3, und 4: Die Endzonen für Klasse-I-TEP (20° bis 40° geomagnetischer Breite) und für Klasse-II-TEP (10° bis 30° geomagnetischer Breite) im australischen Sektor (Bild 2), im amerikanischer Sektor (Bild 3) und in afrikanischer Sektor (Bild 4).

Dieser Bereich der Ionosphäre von etwa ± 20° geomagnetischer Breite wird im allgemeinen als Gebiet der äquatorialen Anormalie bezeichnet, obwohl diese Erscheinung eine reguläre Eigenschaft der Ionosphäre in Äquatornähe ist. Wenn die Elektronendichte in den "Anhäufungen" genügend angestiegen ist, kann ein Signal, das eine Anhäufung in einem sehr flachen Winkel trifft, über den geomagnetischen und den geografischen Äquator gebeugt und von der gegenüberliegenden Anhäufung wieder zur Erdoberfläche gebrochen werden. Bild 1 zeigt diesen Ausbreitungsweg.

3.1. Wirksame Höhe der Äquatorialen Anormalie

Die wirksame Höhe, in der die Signale im Gebiet der Anormalie reflektiert werden, variiert zwischen etwa 350 km und 550 km(12), (13). Daraus ergeben sich für Signale, die sich in der in Bild 1 gezeigten Weise ausbreiten, Weglängen von etwa 3 000 km bis 9 000 km(12).

3.2. Tages-Rythmus der Äquatorialen Anormalie

Im austral-asiatischen Sektor der Erde (Bild 2) beginnt sich die äquatoriale Anormalie zwischen 0800 Uhr und 1000 Uhr mittlerer Ortszeit zu entwickeln. Zwischen 0700 Uhr und 1500 Uhr Ortszeit bewegen sich die "Anhäufungen" vom Magnet-Äquator weg(13).

Im amerikanischen Sektor ist die Entwicklungszeit der Anormalie weit mehr veränderlich. Sie ist jedoch im allgemeinen nach 1800 Uhr Ortszeit vorhanden. Der Aufbau der Anormalie scheint zwischen 1100 Uhr und 1800 Uhr Ortszeit stattzufinden. Allerdings müssen diese Angaben erst noch weiter überprüft werden, da ihnen sehr wenig Daten zugrunde liegen. Vergleiche der Positionen der "Anhäufungen" über dem austral-asiatischen und dem amerikanischen Sektor zur gleichen Ortszeit zeigen, daß sie im austral-asiatischen Sektor weiter vom Äquator entfernt sind(13).

Das Verhalten der Anormalie im afrikanischen Sektor (Bild 4) ist demjenigen im austral-asiatischen Sektor ähnlich.

Wenn die Sonne für die Basisschicht der Ionosphäre am Äquator untergeht (etwa 1, 5 Stunden nach dem Sonnenuntergang am darunterliegenden Punkt der Erdoberfläche, also etwa um 1930 Ortszeit), steigt die Basisschicht im allgemeinen an und die äquatoriale Anormalie beginnt, sich in einzelne große "Blasen" aufzulösen. Dies ist allerdings nicht immer so; die Basisschicht muß nicht notwendigerweise ansteigen, gelegentlich wird sogar ein Absinken oder ein Verbleiben in der Vor-Sonnenuntergang-Höhe beobachtet. Manchmal zerfällt die Anormalie nicht in einzelne Blasen, sondern die Elektronen scheinen sich über dem Magnet-Äquator diffus zu verteilen. In diesem Zustand befindet sich die Ionosphäre im allgemeinen während der frühen Morgen- und der späten Abendstunden(13). Das detaillierte Verhalten während des Zerfalls der Anormalie ist jedenfalls noch nicht völlig geklärt.

3.3. Äquatorialen Anormalie und Magnetische Aktivität

An Tagen magnetischer Unruhe ist die äquatoriale Anormalie nicht so ausgeprägt, wie an magnetisch ruhigen Tagen und man weiß, daß - zumindest im austral-asiatischen Sektor - die "Buckel" bei magnetischer Unruhe näher am Magnet-Äquator liegen als bei magnetischer Ruhe(13).

Vor kurzem durchgeführte Untersuchungen deuten darauf hin, daß die Anormalie im amerikanischen Sektor sich an magnetisch sehr ruhigen Tagen eher entwickelt als bei magnetischer Unruhe, wo diese Entwicklung erst am späten Nachmittag stattfindet. Für ein vollständiges Bild (welches recht komplex zu sein verspricht) vom Einfluß des magnetischen Aktivitäts-Pegels auf die äquatoriale Anormalie ist noch nicht genügend Forschungsarbeit geleistet worden.

3.4. Jahreszetliche VerÄnderungen der Äquatorialen Anormalie

Während der Tag-und-Nacht-Gleichen liegen die "Anhäufungen" sehr genau symmetrisch zu beiden Seiten des Magnet-Äquators. Zur Zeit der Sonnenwenden dagegen liegen sie unsymmetrisch. Die Elektronendichte in den "Buckeln" ist zur Tag-und-Nacht-Gleiche höher als während der Sonnenwende, was in Verbindung mit der hohen Symmetrie zur Tag-und-Nacht-Gleiche die Klasse-I-TEP in dieser Zeit bevorzugt ermöglicht. Abstand und Abmessungen der Anhäufungen variieren ebenfalls jahreszeitlich; sie sind während der Tag-und-Nacht-Gleichen am größten.

Man weiß von geneigten Stellen an der Basis der F-Schicht, die mit den Anhäufungen in Verbindung stehen und zwischen 1200 Uhr und 2000 Uhr Ortszeit und zur Tag-und-Nacht-Gleiche am ausgeprägtesten sind(11). Diese"Neigungen" sind Abweichungen der Kontur der Linien gleicher Elektronendichte von der Konzentrizität mit der Erde. Sie fördern das tangentiale Auftreffen der Radiowellen auf die Schicht und erhöhen so die maximal benutzbare Frequenz (MUF) für geeignete Verbindungsstrecken und verbessern die Chancen für eine Ausbreitung über einen Supermodus (Bild 1).

3.5. Sonnenflecken-Zyklus und Äquatorialen Anormalie

Während eines Sonnenflecken-Maximums tritt das Auflösen der "Anhäufungen" allgemein später auf als im Sonnenflecken-Minimum (11). Dies scheint der Haupteffekt des Sonnenflecken-Zyklus auf die äquatoriale Anormalie zu sein.

Die relative Elektronen-Verarmung über dem geomagnetischen Äquator ist im Sonnenflecken-Maximum größer als im Minimum. Dies zieht ein Ansteigen der Elektronendichte in den "Anhäufungen" während des Sonnenflecken- Maximums und eine steigende Häufigkeit von geneigten Stellen nach sich. Beides erhöht die "MUF".

Im Sonnenflecken-Minimum treten die "Anhäufungen' für weniger Stunden auf und auch ihre Höhe, Größe, Anzahl der geneigten Stellen und die Ionisationsdichte gehen mit sinkender Sonnenfleckenzahl zurück(11).

Alle diese Faktoren tragen zu der beobachteten Abhängigkeit der Klasse-I-TEP von der Sonnenfleckenzahl bei.

4. "Gespreizte F-Schicht"

An manchen Tagen erscheinen gegen 2000 Uhr Ortszeit Unregelmäßigkeiten an der Basis der F-Schicht und lösen auf Ionogrammen mit vertikalem Eintrittswinkel eine Erscheinung aus, die als Entfernungs-Spreizung oder "gespreizte F-Schicht" bezeichnet wird. Bild 5 stellt zur Illustration zwei auf der Cocos-Insel aufgenommene Ionogramme gegenüber: Das eine ist "normal", während das Bild 5b eine "gespreizte F-Schicht" zu verschiedenen Zeiten am gleichen Tag zeigt. Die Ursache dieser Unregelmäßigkeit ist noch unbekannt. Sie muß nicht notwendigerweise mit der Auflösungsphase der äquatorialen Anormalie in Verbindung stehen. Eine Verbindung scheint jedoch zu bestehen zwischen gespreizter F-Schicht und "Abend-TEP"(14).

Bild 5a
Bild 5a: Vertikal-lonogramm von Cocos Island um 19.00 Uhr Ortszeit am 5. August 1970, typische F-Schicht-Spur ohne "Spreizung"

Bild 5b
Bild 5b: Vertikal-lonogramm von Cocos Island um 22.00 Uhr Ortszeit am 5. August 1970, typische äquatoriale "F-SchichtSpreizung"

Die Dauer des Auftretens gespreizter F-Schicht ist recht unterschiedlich; manchmal dauert sie weniger als eine Stunde, ein andermal bis 0600 Uhr am nächsten Morgen. Gespreizte F-Schicht tritt häufiger auf an magnetisch ruhigen Tagen, in Zeiten des Sonnenflecken-Maximums und in Gebieten wo der geografische und der magnetische Äquator weit voneinander entfernt sind (11). Es scheint jedoch kein Zusammenhang zwischen magnetischer Aktivität und gespreizter F-Schicht während des Sonnenflecken-Maximums zu bestehen.

Das Auftreten gespreizter F-Schicht ist zumindest im austral-asiatischen Sektor während der Tag-und-Nacht-Gleichen begünstigt. Eine Ausnahme hiervon bildet die Zeit des Sonnenflecken- Minimums, wo die Sommer-Sonnenwende ihr Auftreten begünstigt(11). Dieser Effekt ist im amerikanischen Sektor nicht so ausgeprägt. F-Schicht-Spreizung scheint vom Nach- Sonnenuntergang-Anstieg der F- Schicht- Basis abzuhängen, was während des Sonnenflecken- Maximums am deutlichsten ist(11).

5. Klasse-I-TEP - Ursachen und Charakteristika

Es gilt als sicher, daß Klasse-I-TEP von der äquatorialen Anormalie abhängt. Alle beobachteten Variablen und Charakteristika der äquatorialen Anormalie beeinflussen Klasse-I-TEP in voraussehbarer Weise. Die Frage ist - was verursacht diese beiden "Anhäufungen", die eine Besonderheit der Ionosphäre in Äquatornähe sind?

5.1. Der Springbrunnen-Effekt

Unter dem kombinierten Einfluß des Frd-Magnetfeldes und des elektrischen Feldes zwischen der E-Schicht und der F-Schicht bewegen sich im Gebiet des magnetischen Äquators Elektronen von der Basis der F-Schicht tagsüber aufwärts. Der Aufstieg erfolgt dort, wo die magnetischen Feldlinien horizontal verlaufen. Die aufgestiegenen Elektronen bewegen sich anschließend entlang der magnetischen Feldlinien nach Norden und Süden. Schließlich sammeln sie sich an zwei Orten nördlich und südlich vom Magnet-Äquator und bilden dort die "Anhäufungen" der äquatorialen Anormalie(15). Bild 6 veranschaulicht diesen Effekt.

Bild 6
Bild 6: Der "Springbrunnen-Effekt"

Diese Erklärung ist notwendigerweise einfach und vielleicht nicht ganz korrekt, sie dürfte aber zum Verständnis dieser Arbeit ausreichen. Mehr Informationen über diesen "Springbrunnen-Effekt" sind in(15) zu finden.

Bild 7 zeigt die Auswirkung der äquatorialen Anormalie auf die "kritische Frequenz" foF2 bei vertikalem Einfall in die F2-Fchicht im Gebiet zu beiden Seiten des Magnet-Äquators. Man erkennt, daß die Frequenz foF2 Maxima erreicht, wo die Anhäufungen liegen, und eine Einsattelung über dem magnetischen Äquator. Diese Erscheinung ist zum Teil für die hohen maximal benutzbaren Frequenzen (MUF) verantwortlich, die bei Supermode- Ausbreitung beobachtet werden.

Bild 7
Bild 7: Die theoretisch symmetrische Anormelie, wie sie fir das Rechenprogramm fir Bild B vorawgeetrt wurde

5.2. Die Charakteristika im einzelnen

Es werden nun die Charakteristika von Klasse-I-TEP im Zusammenhang ihrer Abhängigkeit von der äquatorialen Anormalie im einzelnen diskutiert. Die vorhergehenden Abschnitte, die einzelne Zusammenhänge erklären, sollten eventuell zur Unterstützung herangezogen werden.

5.2.1. Erscheinungszeiten

In allen Sektoren besteht für Klasse-I-TEP eine Spitzen-Auftrittszeit zwischen 1200 Uhr und 1900 Uhr Ortszeit. In individuellen Fällen kann die Spitzenzeit irgendwann in diesen Grenzen auftreten. Die Spitzenhäufigkeit fällt mit der stabilen Phase der äquatorialen Anormalie zusammen, die im allgemeinen nach 1100 Uhr Ortszeit gut entwickelt ist und gegen 1900 Uhr Ortszeit abzubauen beginnt. Gelegentlich bleibt sie auch über diese Zeit hinaus stabil, speziell zur Tag-undNacht-Gleiche im Sonnenflecken-Maximum(12). Beobachtungen, daß Signale noch mehrere Stunden nach 1900 Uhr Ortszeit stabil bleiben, bevor das Flatter-Fading von Klasse-II-TEP auftritt(12), erhärten dies.

Ausbreitungswege, die senkrecht, oder fast senkrecht zum magnetischen Äquator verlaufen und die symmetrisch zu ihm liegen, werden,bevorzugt. Dies äußert sich in früherem Beginn, längerer Dauer und häufigerem Auftreten - speziell im Sonnenflecken-Minimum. Wie die Kartenbilder 2, 3 und 4 zeigen, liegen Australien und Südost-Asien/Japan ideal in dieser Hinsicht. Ähnlich günstig zueinander liegen Süd-Afrika und Nord-Afrika/Mittelmeergebiet. Auf dem amerikanischen Kontinent sind Venezuela/Guayana/Surinam u. a. einerseits und Chile/Argentinien andererseits begünstigt.

TEP kann im Prinzip zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten; die geringste Wahrscheinlichkeit - sowohl für Klasse-I- wie auch für Klasse-II-TEP - besteht jedoch in den Stunden zwischen 0400 Uhr und 0800 Uhr Ortszeit(11). Die Erscheinungszeiten hängen generell von folgenden Faktoren ab:

  1. Geeignete Ausbreitungsweg-Geometrie, eingeschlossen "schräge Stellen", die Supermode- Ausbreitung ermöglichen.
  2. Aufbau einer ausreichenden Ionisationsdichte in den "Anhäufungen" der äquatorialen Anormalie, so daß foF2 jeder Anhäufung genügend hoch ist, um die MUF entsprechend über den Allgemeinwert anzuheben.
  3. Die Voraussetzung unter b) hängt offensichtlich von der Sonnenfleckenzahl ab, doch ist dies nicht der einzige Einfluß-Faktor. Immerhin ist die Abhängigkeit nicht so groß wie für Klasse-II-TEP.
  4. Die Jahreszeit.

5.2.2. Charakteristika des Ausbreitungsweges

Für die Ausbreitungsweg-Geometrie von Klasse-I-TEP kann bei gegebenen, beobachteten Parametern der "Buckel" in der äquatorialen Anormalie eine maximale und eine minimale Reichweite bestimmt werden. Die entscheidenden Parameter hierfür sind Höhe und Lage der eigentlichen Reflektionspunkte, die Frequenz foF2 für diese Punkte und der Einfallswinkel der Funkwellen auf diese Punkte. Wenn diese Größen bekannt sind, ist eine Voraussage der maximalen und der minimalen Reichweite möglich. Nach (12) erhält man Werte zwischen 5 000 km und 9 000 km. Zur Berechnung dieser Werte wurde Symmetrie zum geomagnetischen Äquator für den Ausbreitungsweg und für die Lage der Anormalie angenommen. Bei schrägen und unsymmetrischen Ausbreitungswegen treten andere Bedingungen auf, über die noch gesprochen werden wird.

Die besten Ausbreitungswege sind diejenigen, die symmetrisch und senkrecht (oder fast senkrecht) zum magnetischen Äquator verlaufen, und deren Endpunkte in Gebieten zwischen 20° und 40° geomagnetischer Breite nördlich und südlich liegen. Diese Gebiete sind in den Kartenbildern 2, 3 und 4 von links unten nach rechts oben schraffiert. Solche Ausbreitungswege erfahren Klasse-I-TEP häufiger als schräge oder unsymmetrische Wege.

Sehr lange Ausbreitungswege (mehr als 10 000 km) sind jedoch immer schräg, und es scheint noch eine andere Ausbreitungsart nötig zu sein, um dem Signal zu einem günstigen Auftreffwinkel auf die "Buckel" der äquatorialen Anormalie zu verhelfen. Die wahrscheinlichste Ursache ist das zusätzliche Auftreten von sporadischer E-Schicht-Ausbreitung (Es), aber dafür besteht noch keine Bestätigung. Eine Beobachtung durch R. Hord, VK2ZRH, scheint diese Annahme zu unterstützen. Er berichtet über den Empfang einer Sendung im 50-MHz-Band von WB6KAP am 8. November 1970, von 1310 Uhr bis 1435 Uhr EAST. Er berichtet außerdem, daß zur gleichen Zeit Sporadisch-E-Signale von Neu Seeland auftraten. Der Standort von WB 6 KAP ist in Californien, rund 12 000 km von Sydney entfernt. Sein Signal muß, falls es über einen Supermode den Äquator überquert hat, die südliche "Anhäufung" der äquatorialen Anormalie irgendwo über West-Samoa getroffen haben. Diese Stelle ist jedoch rund 4 500 km von Sydney entfernt, wogegen ein Funkstrahl, der die Erdoberfläche tangential verläßt, die F-Schicht in einer Entfernung von höchstens rund 2 000 km treffen müßte. Es muß deshalb noch eine andere Ausbreitungsart aufgetreten sein, damit das Signal Sydney erreichen konnte. Es ergibt sich, daß eine sporadische E-Schicht über der Tas-manischen See östlich von Australien ausgereicht haben würde, um das Signal so zu brechen, daß es die äquatoriale Anormalie über West-Samoa erreicht. Sud-Californien liegt genügend nah am magnetischen Äquator, um einem Funkstrahl einen günstigen Auftreffwinkel auf die äquatoriale Anormalie zu ermöglichen.

In (11) wurde als Hypothese ein "3F-Mode" angenommen, jedoch Ist die Existenz eines solchen neuen Modus bisher unbestätigt. Seine Wahrscheinlichkeit ist auch gering.

TEP über Ausbreitungswege, die ziemlich schräg zum magnetischen Äquator verlaufen (65 0 oder weniger), sind häufig recht lang (mehr als 8 000 km); andererseits sind sie selten und kurzlebig, und sie tendieren zu einer Haupt-Erscheinungszeit einige Wochen nach Tag-und-Nacht-Gleiche. Viele von ihnen liegen unsymmetrisch zum Magnet-Äquator, jedoch geht in diese Aussage wahrscheinlich die gegebene Verteilung der beobachtenden Stationen ein. TEP über äußerst lange Strecken wird im allgemeinen ein oder zwei Jahre nach einem Sonnenflecken- Maximum beobachtet, dagegen seltener, wenn überhaupt, während eines Sonnenflecken-Minimums.

5.2.3. Funkstrahl-Bahnverfolgung

Durch Simulation an einem Modell der äquatorialen Ionosphäre in einem elektronischen Rechner können die Bahnen von Funkstrahlen ermittelt werden. Verfolgt man so die Bahnen einer Gruppe von Funkstrahlen, die von einem Sender auf der einen Hemisphäre stammen, so findet man, daß ein Großteil der mit geringem Erhebungswinkel abgestrahlten Signale der Supermode-Ausbreitung folgt und dabei weitgehend auf die Empfangsstelle fokussiert wird. Bild 8 zeigt in einer Computer-Darstellung diesen Strahlen-Bündelungs-Effekt. Die von der Rechenanlage gedruckte Darstellung wird hier mit freundlicher Genehmigung der James Cook Universität von North Queensland, Australien, wiedergegeben.

Bild 8
Bild 8: Computer-Darstellung du Struhhn-BindelungtEffekts

Die Strahlen-Bündelung ist ein sehr wichtiges Charakteristikum der Klasse-I-TEP, da sie durch "räumliche Selektion" starke Signale hervorruft. Räumliche Selektion bedeutet, daß ein TEP-Signal in einem eng begrenzten Gebiet gehört wird, in benachbarten Gebieten dagegen nicht. Diese Erscheinung wird oft in Verbindung mit "Nachmittags-TEP" beobachtet(10).

Viele Beobachter haben berichtet, daß TEP-Signale, die sie in ihrem Bereich hören, zuerst aus mehr östlichen Gebieten stammen und im Lauf des Tages immer mehr aus westlichen Gebieten. Die TEP-Ursprungsgebiete folgen also der Sonne. Zum Beispiel hören Funkamateure in den östlichen Staaten Australiens zuerst Amateurstationen aus Ost-Japan. Die östlichen Stationen verschwinden nach und nach und werden von Stationen in Zentral-Japan abgelöst. Darauf folgen Signale aus West-Japan und schließlich aus Korea. Andererseits hören japanische Amateure zuerst Stationen aus den Oststaaten Australiens, dann aus den Zentralgebieten und schließlich von der Westküste.

Die Begründung dieser Erscheinung ist im Abschnitt über den Tagesgang der äquatorialen Anormalie zu finden: Der Aufbau der Ionisation in den "Anhäufungen" ist zeitabhängig und somit die kritische Frequenz ebenfalls. Damit muß die Region maximaler Ionisation der Sonne folgen, also westwärts wandern.

5.2.4. Jahreszeitliche Charakteristika

In allen Sektoren der Welt tritt die maximale Häufigkeit von Klasse-I-TEP um die Tag-und-Nacht-Gleichen auf. Dies ist in den günstigen Bedingungen in der äquatorialen Anormalie zu dieser Zeit begründet. Wie der Abschnitt 3. 4. zeigte, sind die wichtigen Parameter für günstigste Klasse-I-TEP-Bedingungen am besten während der Tag-und-Nacht-Gleichen erfüllt. Die Stellung der Erde relativ zur Sonne und zur Ebene der Ekliptik sind offensichtlich die hauptsächlichen Einfluß-faktoren auf die Symmetrie der äquatorialen Anormalie zur Tag-und-Nacht-Gleiche.

Es tritt stets eine größere Zahl von Klasse-I-TEP-Verbindungen um das Sonnenflecken-Maximum auf als während des Minimums. Es ist bekannt, daß die Sonnenfleckenzahl die "MUF" der F-Schicht beeinflußt, und die Frequenz foF2 für die "Anhäufungen" der äquatorialen Anormalie folgt einem ähnlichen Schema. Allerdings folgt die maximale Häufigkeit von Klasse-I-TEP dem Sonnenflecken-Maximum mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren. Die Ursache hierfür ist bis jetzt unbekannt(11).

Funkverbindungen über Klasse-I-TEP sind um die Tag-und-Nacht-Gleichen fast täglich möglich (1), (2), (16). Ähnliche Ergebnisse liefern Versuche mit Schräg-Ionosonden, die auf transäquatorialen Strecken zwischen Okinawa und St.Kilda (Süd-Australien), sowie zwischen Okinawa und Townsville (Queensland) arbeiteten.

5.2.5. Charakteristische Eigenschaften der Signale

Abgesehen von den in Frage kommenden Frequenzen, sind Signal-Stärke und -Konstanz die hervorstechendsten Eigenschaften von Klasse-I-TEP. Die Feldstärke kann manchmal die Werte der Freiraum-Ausbreitung erreichen(12) und das Fading ist normalerweise recht selten und nicht besonders tief (1...3), (10...12). Diese Eigenschaft wird dadurch erklärt, daß die Funkstrahlen die "schrägen Stellen" in den "Anhäufungen" der äquatorialen Anormalie fast genau tangential treffen und so sehr wirksam gebrochen werden. Dies führt in Kombination mit dem Strahlen- Bündelungs- Effekt und der geringen Dämpfung einer Ein- Sprung- Ausbreitung zu sehr niedrigen Werten der Ausbreitungsdämpfung(7),(8,)(10),(11). Viele Funkamateure berichten dementsprechend von guten Ergebnissen bei nur mittlerer bis geringer Sendeleistung (unter 20 W) und mit kleinen Antennen(16).

Die niedrige Fading-Rate steht in Zusammenhang mit einer geringen DopplerFrequenzverschiebung - im allgemeinen um ± 2 Hz bis ± 4 Hz(12). Auf einer Darstellung der Leistungs-Spektral-Dichte (Signal-Leistungspegel in Abhängigkeit von der Doppler-Verschiebung) für Klasse-I-TEP-Signale ist zu erkennen, daß die meisten Doppler-Verschiebungen kleiner als ± 2 Hz sind, mit einem zweiten, kleineren Maximum bei ± 4 Hz(12).

Die höchstvorkommende maximal nutzbare Frequenz (MUF) für Klasse-I-TEP scheint bei rund 60 MHz zu liegen(12), was das 6-m-Amateurband in eine sehr günstige Position bringt. (Dieses Band ist in Deutschland bedauerlicherweise nicht für den Amateurfunk freigegeben - die Red. ). Jedenfalls liegen die für KlasseI-TEP benutzbaren Frequenzen stets beträchtlich über den für den gleichen Ausbreitungsweg vorausgesagten MUF. Klasse-I-TEP ist deshalb sowohl für den Kurzwellenbereich, wie auch für den unteren UKW-Bereich von Bedeutung. Funkverbindungen auf den Kurzwellenbändern mit Hilfe von Klasse-I-TEP wurden berichtet(12), doch werden sie von Funkamateuren selten als solche erkannt.

Die MUF für schräge Ausbreitungswege liegt generell niedriger, was mit dem ungünstigen Auftreffwinkel der Funkwellen auf die äquatoriale Anormalie zusammenhängt. Dementsprechend übersteigt die maximal benutzbare Frequenz für solche Ausbreitungswege 50 MHz seltener, als bei Wegen, die mehr senkrecht zum magnetischen Äquator verlaufen(7),(11),(12). Obwohl Klasse-I-TEP recht stabile Signale hervorbringt, erleiden Breitband- Signale aufgrund von Mehrwege-Ausbreitung (Bild 8) Verzerrungen. Sprachübertragungen, vor allem in FM, leiden kaum merklich, Fernseh-Signale dagegen sind von sehr schlechter Qualität(12).

Man muß sich darüber klar werden, daß Klasse-I-TEP keine "normale" Art von Ausbreitung über die F2-Schicht ist, wie viele UKW-Amateure anzunehmen scheinen. Andererseits ist diese Ausbreitung sicherlich nicht "anormal" im Sinne des Wortes.Die MUF der F-Schicht übersteigt für 1F- oder 2F-Moden im allgemeinen nur selten 50 MHz. Allein aus diesen Gründen kann Klasse-I-TEP nicht als "normale" F2-Reflektionsverbindung klassifiziert werden. Vor allem aber breitet sich Klasse-I-TEP durch eine Zweifach-Reflektion in der Ionosphäre aus, ohne zwischendurch an der Erdoberfläche reflektiert zu werden. Der 2F-Mode wird deshalb manchmal als "Sehnen-Sprung-Ausbreitung" bezeichnet.

6. Klasse-II-TEP - Ursachen und Charakteristika

Die Charakteristika von Klasse-II- oder "Abend"-TEP sind in den Zonen ihres Auftretens allgemein bekannt. Ihr Ausbreitungsmodus dagegen ist bis jetzt noch unbekannt. Es sind etliche verschiedene Erklärungen vorgetragen worden, die auf der beobachteten zeitlichen Verbindung zwischen nächtlichem TEP und dem Auftreten von äquatorialer "gespreizter F-Schicht" basieren(7),(11),(14). Wurden experimentelle Resultate mit den verschiedenen Theorien verglichen, so zeigten sich stets Unstimmigkeiten. Allerdings gilt als gesichert, daß irgendein definitiver Zusammenhang zwischen "gespreizter F-Schicht" entlang des betrachteten Ausbreitungsweges und dem Auftreten von Klasse-II-TEP besteht(7),(10),(11),(14).

Die höheren über Klasse-II-TEP übertragenen Frequenzen bieten interessante Möglichkeiten. Das Maximum ihres Auftretens liegt zwischen 2000 Uhr und 2300 Uhr Ortszeit, mit einer ausgeprägten Spitze irgendwann in diesem Bereich - je nach Jahreszeit und Ausbreitungsweg. Diese Zeiten stimmen gut mit dem Auftreten von "gespreizter F-Schicht" in Äquatornähe überein, jedoch ist die Dauer der TEP-Signale normalerweise geringer als die der gespreizten F-Schicht(7),(10). Der Grund dafür ist noch nicht geklärt. In seltenen Fällen wurde beobachtet, daß Klasse-II-TEP bis in die frühen Morgenstunden anhielt.

Am häufigsten tritt Kiasse-II-TEP- Übertragung während der Tag-und-Nacht-Gleichen auf(7),(10),(11),(12),(14) - ebenso wie "gespreizte F-Schicht". Und zwar ist dies noch ausgeprägter als im Fall von Klasse-I-TEP. Am seltensten sind Klasse-II-TEP- Übertragungen während der Winter- Sonnenwende über dem Magnet- Äquator(7),(10),(11),(14). Das ist im asiatischen und afrikanischen Sektor zwischen Dezember und Januar der Fall, im amerikanischen zwischen Juni und Juli(7).

Bei Klasse-II-TEP sind sowohl die Übertragungs-Anfangszeiten wie auch ihre Dauer weniger abhängig von der Geometrie des Ausbreitungsweges wie bei Klasse-I-TEP. Klasse-II-TEP ist auch erheblich toleranter gegenüber Unsymmetrie des Ausbreitungsweges relativ zum magnetischen Äquator als Klasse-I-TEP. Üblicherweise hängt die Möglichkeit von Klasse-II-TEP-Funkverbindungen also von folgenden Gegebenheiten ab:

  1. Erscheinen von äquatorialer "gespreizter F-Schicht" auf einer geeigneten geomagnetischen Breite.
  2. Günstige Jahreszeit, vor allem Nähe der Tag-und-Nacht-Gleichen.
  3. Sonnenfleckenzahl.

6.1. Charakteristika des Ausbreitungsweges

Die Ausbreitungsweg-Langen von Klasse-II-TEP-Verbindungen liegen im allgemeinen zwischen 3 000 km und 6 000 km(7),(10),(11),(12),(14) und ihre Endpunkte liegen recht häufig unsymmetrisch und schräg in bezug auf den Magnet-Äquator (7), (11). Es wurden auch einige wesentlich längere nächtliche Verbindungen beobachtet(7),(11),(16) doch lassen diese sich durch gelegentliches Andauern von Klasse-I-TEP über den Sonnenuntergang hinaus(11), oder durch einen anderen unterstützenden Übertragungsmodus erklären. Wie bereits erwähnt, ist sporadische E-Schicht der wahrscheinliche Reflektor für Signale im unteren UKW-Bereich. Troposphärische Überreichweiten durch Wellenleiter- (duct-) Bildung könnten die Reichweiten in ähnlicher Weise für die höheren UKW-Frequenzen erhöhen, doch ist in dieser Richtung bisher wenig veröffentlicht worden.

In der Praxis überlappen sich die Reichweiten der beiden Klassen von TEP. So existiert eine Zone, in der die Funkstationen mit beiden Arten arbeiten können, während in anderen Gebieten nur die eine oder die andere Art auftritt. Die Gebiete zwischen 20° und 30° geomagnetischer Breite (Bilder 2, 3, 4) sind der gemeinsame Boden für beide Klassen von TEP. Funkstationen in diesen Gebieten erleben von Zeit zu Zeit beide Arten mit vielleicht einem stufenweisen Übergang von Klasse-I zu Klasse-II (was sich durch wachsendes Flatter-Fading nach 2000 Uhr bemerkbar macht), oder mit einem Verschwinden der Signale bis zur Dauer von einer Stunde(11).

Funkstationen nördlich und südlich von etwa 30° geomagnetischer Breite haben es meist nur mit "Nachmittags-TEP" zu tun, wogegen Stationen, die näher als etwa 20° am magnetischen Äquator liegen, normalerweise nur "Abend-TEP" vorfinden.

Bei Funkverbindungen über Klasse-II-TEP wird im Gegensatz zu Klasse-I-TEP keine generelle West-Bewegung beobachtet. Die Unregelmäßigkeiten in der Basis der F-Schicht wandern mit Sicherheit nach Westen, doch ist ihre Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung normalerweise erheblich größer als die der äquatorialen Anormalie. Da nun Klasse-II-TEP weitgehend von diesen Unregelmäßigkeitenabzuhängen scheint, könnte die West-Bewegung durch die große Nord-Süd-Ausdehnung und durch die Toleranz gegenüber unsymmetrischenAusbreitungswegen verdeckt werden(11),(14),.

6.2. Jahreszeitliche Abhanängigkeit

Klasse-II-TEP zeigt eine ausgeprägte Abhängigkeit von den Tag-und-Nacht-Gleichen und von der Sonnenfleckenzahl. Die gleiche Abhängigkeit wird für "gespreizte F-Schicht" beobachtet(10),(11),(12),(14). Die höchste Häufigkeit folgt dem Sonnenflecken- Maximum im Abstand von etwa einem Jahr - das Gleiche wurde über Kladse-I-TEP berichtet(11),(16). Die Gründe hierfür sind noch nicht klar, doch dürfte weitere Forschung den Verursachungs-Mechanismus ans Licht bringen.

Ähnlich wie bei Klasse-I-TEP sind in den Jahren der Spitzenhäufigkeit um die Tag-und-Nacht-Gleichen herum fast jede. Nacht Funkverbindungen über KlasseII-TEP möglich(1),(2),(7),(10),(16). Nach dieser Zeit fallen die Möglichkeiten steil ab, mit nur wenigen Verbindungen um die Sonnenwenden herum und während der Jahre um das Sonnenflecken-Minimum. Diese Aussage wird von Beobachtungen an Schrägsonden und Bakensendern untermauert(10),(12).

6.3. Signaleneigenschaften

Die interessantesten Aspekte an Klasse-II-TEP-Signalen sind die hohen möglichen Frequenzen und die hohen beobachteten Feldstärken. Signale von 102-MHz-Bakensendern aus Darwin (Nordküste Australiens) wurden bei vielen Gelegenheiten inSüd-Japan aufgenommen. Da der ionosphärische Brechungs- oder Beugungs-Mechanismus für Klasse-II-TEP noch unbekannt ist, steht auch noch keine obere Frequenzgrenze fest. Hier ergibt sich für unternehmungslustige Funkamateure eine Gelegenheit, exotische Weitverbindungen im 2-m-Band zu versuchen, und so einen Beitrag zur wissenschaftlichen Kenntnis eines noch recht unerforschten Phänomens zu leisten. Unglücklicherweise dürften 144-MHz-Verbindungen allerdings bis zum nächsten Sonnenflecken-Maximum zu warten haben; dies sollte aber niemanden entmutigen, Versuche zu unternehmen.

Im allgemeinen treten bei Klasse-II-TEP hohe Feldstärken mit einem beträchtlichen Anteil Flatter-Fading auf. Die Fading-Frequenz liegt meistens zwischen 5 Hz und 15 Hz. Eine Darstellung der Leistungs-Spektraldichte zeigt eine Doppler-Frequenzverschiebung zwischen hauptsächlich + 40 Hz. Dies bedeutet, daß A3-Signale (DSB oder SSB) manchmal ernstlich gestört werden(12). Die Auswirkungen auf FM- oder PM-Signale dürften wesentlich geringer sein, wogegen Fernseh-Signale auf Grund der "Aufspreizung" der Laufzeiten stark beeinträchtigt würden(12).

Auf Ausbreitungswegen, deren Endpunkte magnetisch konjugiert liegen (zum Beispiel 25° Nord / 25 ° Süd), treten höhere Übertragungsfrequenzen häufiger und mit höherer Zuverlässigkeit auf. Auch die Feldstärke ist für derartige Ausbreitungsstrecken höher als für die ungünstigeren unsymmetrischen Strecken. Dagegen sind die Weglängen im allgemeinen kürzer.

Nachdem Klasse-II-TEP wahrscheinlich in irgendeiner Weise von einer nach dem Magnetfeld ausgerichteten Ionisation unterstützt wird(12), ist es entscheidend, daß der Funkstrahl möglichst tangential zum magnetischen Feld abgestrahlt wird. Je genauer der tangentiale Einfall ist, desto höhere Frequenzen werden übertragen, desto höhere Feldstärken sind zu erwarten und desto höher ist die Zuverlässigkeit.

Vielfach wird Klasse-II-TEP als "Trans-Äquator-Scatter" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist aus mehreren Gründen völligfalsch. Scatter- oder Streustrahl- Ausbritung beinhaltet inkohärente Reflektion an troposphärischen oder ionosphärischen Unregelmäßigkeiten. Die Feldstärken sind gering und haben einen beträchtlichen Flatter-Fading-Anteil. Die Strahl-Erhebungswinkel über der Erdoberfläche sind bei Sendung und Empfang viel größer als bei einer Übertragung durch ein ausgerichtetes Feld. Außerdem müssen Scatter-Verbindungen nicht notwendigerweise auf einer Großkreis-Route stattfinden. Schließlich sind die Reichweiten bei Scatter-Ausbreitung viel geringer als bei Klasse-II-TEP. Es scheint, daß das häufig bei Abend-TEP beobachtete Flatter-Fading zu der Konfusion über die zutreffende Ausbreitungsart führt. Klasse-II-TEP hängt von vielen Faktoren ab (Jahreszeit, Sonnenflecken, geomagnetische Breite und andere), die mit echter Scatter-Ausbreitung nichts zu tun haben.

7. Derzeitige Forschungsanstrengungen

Zur Zeit führt die "Ionospheric Prediction Service Division" (Australien) Forschungen auf dem hier behandelten Gebiet durch. Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei Klasse-II-TEP. Es ist Ausrüstung vorhanden, um die Signal-Charakteristika von UKW-Bakensendern in Japan und Korea zu untersuchen. Dieser Teil der Forschung zielt auf eine Klärung der Ausbreitungs-Mechanismen von KlasseII-TEP und eine eventuelle Vorhersage ihres Auftretens. In Vanimo, Neu Guinea, hat eine Ionosonde einen idealen Standort, um die Ionosphäre in Äquatornähe zu studieren. Sie soll mit einem Interferometer-System ausgerüstet werden, um bei der Erforschung der Unregelmäßigkeiten, die "gespreizte F-Schicht" verursachen, mitwirken zu können. Man hofft, daß ab September 1972 versuchsweise KurzzeitTEP-Warnungen über einen Kurzwellensender verbreitet werden können, die 30 bis 40 Minuten Vorsprung vor einer möglichen "Bandöffnung" haben.

8. Abschliessende betrachtungen

Mit den vorliegenden Informationen und den Kartenbildern 2, 3 und 4 kann jeder geschickte UKW-Amateur mit einem passenden Standort einige recht interessante Weitverbindungen tätigen. Vergleichsweise einfache Ausrüstungen bringen bei TEP gute Resultate. Meistens wurden bisher Sender-Eingangsleistungen von weniger als 20 W und Yagi-Antennen mit 3 oder 4 Elementen, manchmal auch nur ein Dipol oder eine Groundplane-Antenne verwendet.

Nachdem die Signale meist recht stark sind, erhält man mit den üblichen Empfängern gute Resultate. Quarzgesteuerte Konverter vor einfachen Nachsetzern oder auch umgebaute Auto-Funkgeräte sind einsetzbar. Als Modulationsartenkommen AM, FM, PM, DSB, SSB, Telegrafie oder FSK (Fernschreiben) in Frage, wobei Telegrafie, SSB, FM und PM am vorteilhaftesten sind.

Eine Vorhersage von TEP auf Tagesbasis ist noch nicht möglich, doch kann das Signal eines passend gelegenen Bakensenders als Anzeige dienen. Geeignete Bakensender sind immer wieder in verschiedenen Amateurfunk-Zeitschriften, wie "QST", "Amateur Radio", "Radio Communication" und anderen aufgeführt. In vielen Ländern fehlt allerdings ein geeigneter Bakensender-Dienst. Hier könnten die Funkamateur-Vereinigungen der betreffenden Länder versuchen, eine Anderung herbeizuführen.

Diese Arbeit wurde mit der freundlichen Genehmigung des Direktors des Commonwealth Bureau oder Meteorology veröffentlicht. Der Verfasser möchte au Dr. L. F. McNamara, Leiter des Low Latitude Reseach Section of I.P.S.D., für seine Unterstützung danken.

Die Herausgeber der Zeitschriften UKW-BERICHTE und VHF COMMUNICATIONS bedanken sich bei der australischen Zeitschrift Amateur Radio Magazine für ihre Hilfe, die Erlaubnis zur Wiedergabe dieser interessanten Arbeit zu erhalten.

9. Literatur

  1. Tilton, E. P., "The World Above 50 Mc., " "QST", May 1947, Page 61
  2. Tilton, E. P., "The World Above 50 Mc.," "QST", October 1947, Page 56
  3. Tilton, E. P., "Long Distance Communications over North-South Paths on 50 Mc/s", Proc. 2nd Meeting Mixed Commission on Ionosphere, Brussels 1951, Page 119
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  10. Gibson-Wilde, B.C., "An Investigation at Townsville into Anomalous Long-Range Transequatorial VHF Propagation (1961-1966)", Research Report Number 2, Physics Department University College of Townsville, June 1967.
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VK2ZTB, R. L. Harrison.

Übertragung ins Deutsche von DL3WR, R. Lentz.