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Übergangsverluste bei Kabelverbindungen mit falschem Wellenwiderstand

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Eine hochfrequente Welle wird störungsfrei übertragen, wenn Innenwiderstand (Ri) des Generators und der Widerstand (Rv) des Verbrauchers gleich dem Wellenwiderstand des verbindenden Kabels sind und wenn der Wellenwiderstand dieses Kabels über seine ganze Länge konstant ist. Diese Forderungen sind im VHF-oder gar UHF- oder SHF-Gebiet aus Preisgründen kaum ideal erfüllbar, denn verlustarme Kabel, die einigermaßen erschwinglich sind, haben meist einen Wellenwiderstand von 60 Ω, preiswerte Stecker und Buchsen bzw. Kupplungen haben jedoch meist 50 Ω (amerikanische Norm). Deshalb ist man gewöhnlich zu Kompromissen gezwungen, jedoch sind die Auswirkungen solchen "Flickwerks" auf die Übertragung von Hochfrequenzenergie kaum bekannt. So mag mancher Funkamateur eine halbe S-Stufe oder mehr durch eine abenteuerliche Übertragung zwischen Sender und Antenne verlieren ohne zu wissen, warum er so schlecht "herauskommt". Andere dagegen entwickeln sich zu "Anpassungsfetischisten", in dem Glauben, ein Stehwellenverhältnis (SWV) von beispielsweise 1,5 sei der Grund für ungeheure Verluste.

Die folgenden Ausführungen sollen helfen, die tatsächlichen Konsequenzen zu erkennen und Abschätzungen ermöglichen, um den optimalen Aufbau zu finden. Dabei wird vorausgesetzt, daß die verwendeten Kabel und Kupplungen in einwandfreiem Zustand sind und keine anderen Störungen als definierte Sprünge im Wellenwiderstand aufweisen. Korrodierte oder unzweckmäßig aufgebaute Kupplungen verursachen unübersehbare Längswiderstände in Innen- und Außenleiter (und damit Störfelder außerhalb des Kabels!), die sich einer Vorausberechnung entziehen. Weiterhin gelten die folgenden Überlegungen mit guter Genauigkeit nur für Leitungen mit geringer Dämpfung. Das ist aber keine Einschränkung der Brauchbarkeit in der Praxis, denn bei hoher Dämpfung spielen die Stoßstellenverluste kaum noch eine Rolle.

In der folgenden Tabelle sind einige Werte für das Stehwellenverhältnis s, die reflektierte Leitung Prefl und die verursachten Übertragungsverluste VP (in dB) zusammengestellt. VP bezieht sich auf das Verhältnis zwischen der bei einem gegebenen s tatsächlich übertragenen Leistung und derjenigen Leistung, die übertragen würde, wenn s = 1 wäre (ideale Anpassung):

S11,11,21,522,53
Prefl (%)00,2514111825
V (dB)0-0,01-0,04-0,18-0,5-0,9-1,3

Man erkennt: Noch bei einem SWV von 2 (!) beträgt VP nur -0,5 dB!

Dieser geringe Signalverlust ist selbst bei schwächsten DX-Signalen nicht hörbar (eine S-Stufe sind immerhin 5 bis 6 dB). Erst bei einem SWV von mehr als 2 treten erwähnenswerte Einbußen auf.

Man kann daher jede Anlage, die ein SWV von 2 oder kleiner aufweist, im dieser Hinsicht als ausgezeichnet ansehen, weil es völlig gleichgültig ist, ob das tatsächliche SWV 2 oder n ist oder irgendeinen Wert dazwischen hat.

Im folgenden werden einige vereinfachte Formeln und Faustregeln angegeben, mit deren Hilfe man abschätzen kann, ob eine Anlage das Kriterium (s ≤ 2) erfüllt, oder ob sie verbessert werden muß.

1. Die einfache Stosstelle

Bild 1
Bild 1: Einfache Stoßstelle

An der Stelle s sei ein Sprung im Wellenwiderstand von Z1 auf Z2. Links in Bild 1 liege Anpassung Ri = Z1 und rechts im Bild liege ebenfalls Anpassung Rv = Z2 vor. Die Sprungstelle s kann an beliebiger Stelle auftreten. Es ist dann das SWV gegeben durch Eq 1, wobei Z2 ≥ Z1 sein soll.

Ist jedoch Z1 ≥ Z2, so bildet man s = Z1 / Z2, damit - wie gewohnt - s ≥ 1 ist. (Mathematisch korrekter bildet man den komplexen Reflexionsfaktor, bestimmt dessen Betrag und berechnet daraus das SWV. Weil aber die korrekten Rechnungen diese Abhandlung hier und im folgenden nur beschweren würden und weil für die meisten Funkamateure das SWV allein geläufig ist, mag die obige, mathematisch unreine Definition für unsere Zwecke ausreichen).

Eine solche einfache Stoßstelle ist für unsere Probleme ziemlich harmlos, wie zwei kleine Beispiele für beliebige Frequenzen zeigen:

a) Eine Antenne mit einem Fußpunktwiderstand von 75 Ω werde an einer 60-Ω-Anlage betrieben (s in Bild 1 ist ganz nach rechts gerückt): s = 75/60 = 1,25; nach Tabelle also VP = -0,05 dB.

b) Ein Sender mit einem Ausgangswiderstand von 50 Ω wird mit einer 60-Ω-Anlage betrieben (s ist in Bild 1 ganz nach links gerückt): s = 60/50 = 1,2; VP = -0,04 dB.

2. Ein Stück mit falchem Wellenwiderstand

Bild 3
Bild 2: Stoßstelle durch ein Kabelstück mit falschem Wellenwiderstand

In einer Anlage, die sonst angepasst ist, befindet sich ein Stück der Länge lf mit dem Wellenwiderstand Zf, der von Z1 verschieden sei.

Die in Bild 2 von links kommende Welle findet an der Stelle 1 eine einfache Stoßstelle s = Zf / Z1 vor. Der nicht reflektierte Teil läuft durch lf hindurch und findet an der Stelle 2 eine zweite Stoßstelle mit gleichem s vor. Der hier reflektierte Teil läuft zurück und überlagert sich mit der zuerst reflektierten Welle. Die Phasendifferenz der beiden reflektierten Wellen ist abhängig von lf. Beide Stoßstellen wirken deshalb zusammen wie eine einzige mit einem neuen SWV sges, das nun zu berechnen ist.

Diese Berechnung erfolgt, indem man die allgemeine Transformationsformel 1 benutzt und mit ihr die an 2 auftretende Impedanz Z1 = Rv an die Stelle 1 transformiert, den Reflexionsfaktor bestimmt und weiter verfährt wie oben angedeutet. Die sich ergebende Endformel ist ziemlich unübersichtlich. Für unsere Zwecke genügen einige daraus abgeleitete Näherungsformeln für verschiedene Längen von lf:

2.1. Es sei lf ≤ 0,1 λf; dann gilt Eq 2

Hinweis: Af ist die effektive Wellenlänge im Koaxialleiter lf. Ist dessen Dielektrikum nicht Vakuum oder Luft, so ist die Vakuum-Wellenlänge λ0 mit dem Verkürzungsfaktor VF = 1/√ε des jeweiligen Dielektrikums zu multiplizieren (z.B. : Polyäthylen massiv (PE): VF = 0,66; Polyäthylen-Schaum (FPE): VF = 0,72 etc.).

2.2. Es sei lf = λf/4 (oder 3λf/4, 5λf/4 usw.) dann gilt sges = s2

2.3. Es sei if = λf/2 (oder 2λf/2, 3λf/2 usw.) dann gilt sges = 1

Das heißt, ein Stück mit falschem Wellenwiderstand wirkt in einer sonst angepassten Anlage wie nicht vorhanden, wenn seine Länge ein ganzzahliges Vielfaches der halben effektiven Wellenlänge ist! Man kann das so interpretieren, also kompensiere die hintere Stoßstelle die vordere.

Den gesamten Verlauf von s es mit lf zeigt Bild 3. Offensichtlich hat sges seinen maximalen Wert bei lf = λf/4.

Bild 3
Bild 3: Verlauf des Stehwellenverhältnisses in Abhängigkeit von der elektrischen länge des Stücks mit falschem Wellenwiderstand

Das ist sehr nützlich für Abschätzungen, denn ist dieser schlechtestmögliche Wert noch tragbar, so kann man sich die weitere Rechnerei sparen und ein gegebenes Gebilde akzeptieren, egal wie lang lf wirklich ist.

Beispiele:

c) BNC-Stecker/Buchse (50 Ω) in einer 60-Ω-Anlage bei 435 MHz: s = 60/50 = 1,2; Isolator Teflon VF ≈ 0,7; λ0 = 70 cm, also λf = 50 cm; lf = 3 cm also lff = 0,06, also Fall 2.1: sges = 1 + 0,2 = 1,2. (Selbst wenn die Verbindung λ/4 lang wäre, wäre sie immer noch sehr gut). Bei 1300-MHz liegt sges zwischen 1,2 und 1,44 (Bild 3), ist also ungefähr 1,3.

d) Zwei Kabel mit PL-Steckern werden in einer 60-Ω-Anlage bei 145 MHz mit einem SO 239/S0 239-Zwischenstück verbunden. Diese Kupplungen haben keinen definierten Wellenwiderstand! Außerdem treten an der Innenleiterbuchse und an der Übergangsstelle vom Kabelgeflecht zum Außenleiter des Steckers meist Längsinduktivitäten auf. Wenn wir annehmen, daß diese Längsinduktivitäten durch sorgfältige Arbeit beseitigt sind, so läßt sich aus den geometrischen Abmessungen ein "Wellenwiderstand" zwischen 20 und 30 Ω abschätzen. Rechnen wir mit Zf = 25 Ω, so wird s = 60/25 = 2,4. Mit VF = 0,7 (geschätzt) und λ0 = 2 m wird λf = 1, 4 m; es ist lf = 4 cm, also lff = 0,03, also gilt Fall 2.1.: sges = 1 + 0,38 = 1,38 und damit VP = 0,1 dB. (Mit dem Stehwellenmeßgerät 2G80A wurde in guter Übereinstimmung dazu der Wert 1,33 bestimmt). Für das 70-cm-Band ist selbst die "idealisierte" Kupplung nicht mehr brauchbar, denn nun wäre sges = 1 + 3 × 0,38 > 2.

Man sieht, daß selbst ein Stück mit falschem Wellenwiderstand noch keine gravierende Störung verursacht, solange man im Bereich der üblichen Kabelwellen-widerstände (50 bis 75 Ω) bleibt. Aber leider befinden sich zwischen Sender und Antenne meist mehr als eine Kupplung oder Verbindung; daher reichen die vorstehenden Überlegungen noch nicht aus für die Beurteilung einer solchen Anlage.

3. Mehrere Stücke mit falschem Wellenwiderstand

Es wurde die - recht umfangreiche - Rechnung für zwei Stücke lf ausgeführt. Die Endformel ist äußerst undurchsichtig. Es läßt sich jedoch für zwei und davon ausgehend für mehrere Stücke mit falschem Wellenwiderstand eine Abschätzungsformel für den ungünstigsten Fall, entsprechend 2.2., angeben:

Befinden sich in einer Übertragungsanlage n Stücke mit falschen Wellenwiderständen und haben diese Stücke die einzelnen SWV s1, s2, s3...sn, so kann das Gesamt-SWV sges im ungünstigsten Fall den Wert annehmen:

sges = s1 × s2 × s3 × ... sn

Meist wird der tatsächliche Wert merklich darunter liegen. Beispiel:

e) Eine 435-MHz-Anlage wird mit 60-Ω-Kabel und mit BNC-Kupplungen aufgebaut. In der Funkstation und um den Rotor herum wird flexibles Kabel verwendet, das eigentliche Verbindungskabel zwischen Stationsraum und Antennenanlage besteht aber aus einer verlustarmen, jedoch sehr starren Leitung. SWV-Meter und Sende/Empfangsrelais haben einen Wellenwiderstand von 50 Ω. Die Anlage hat dann folgendes Aussehen:

Bild 4
Bild 4: Funkstation mit mehreren Kabeln und Koaxialverbindungen

Für das Relais sei ein s4 von 1,33 berechnet worden. Der Aufbau des SWV-Meters ist unbekannt (lf), es muß für ihn deshalb sowohl die Stoßstelle s2 am Eingang wie auch s3 am Ausgang in Rechnung gesetzt werden. Wir haben also: s1 = s2 = s3 = s5 = s6 = 1,2 (vgl. Beispiel c) und s4 = 1,33. Daher kann sges = 1,2 × 1,2 × 1,2 × 1,33 × 1,2 × 1,2 = 3,3 werden!

Durch die Multiplikation der - einzelnen harmlosen - Werte erhält man sehr leicht untragbare Gesamtwerte für das Stehwellenverhältnis.

Allerdings ist die Abschätzung der schlechtestmögliche Fall und wahrscheinlich wird die Anlage einen besseren Wert haben. Auf jeden Fall sollte man sich überlegen, ob nicht einige Kabelstücke auf ganzzahlige Vielfache von λ/2 gebracht werden können, damit sich wenigstens einige der Stoßstellen kompensieren. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, daß man die Kabelstücke 1-2, 3-4 (Bild 4) auf ganzzahlige Vielfache von λ/2 bringt und die Senderauskopplung auf 50 Ω abstimmt. Wir sehen hierbei die Leitung vom Sender bis Punkt 5 als "50-Ω-Leitung" an, wodurch nun die 60-Ω-Kabelstücke den "falschen" Wellenwiderstand haben. Für sie gilt nun entsprechend Abschnitt 2.3. Spendiert man darüberhinaus für den Punkt 6 eine 60-Ω-Kupplung (z.B. 6/16 oder 3,5/9,5), so verbleibt nun nur noch eine einfache Stoßstelle von 50/60 Ω bei Punkt 5 und somit ein sges = 1,2. Den gleichen Effekt erreicht man natürlich auch, wenn man für die angegebenen Stücke 50-Ω-Kabel verwendet.

f) Eine 23-cm-Anlage nach Bild 4 hat ein noch höheres SWV, weil s1, s2, ... = 1,3 ist (s. Beispiel c). Auch hier kann man, wie in Beispiel f, durch geeignete Kabelabmessungen zu guten Stehwellenverhältnissen kommen.

g) Eine 2-m-Anlage nach Bild 4 sei mit PL/SO 239-Kupplungen versehen. Eine einzelne PL/SO-Kupplung hat s = 1,19 (vgl. Beispiel d). Damit können allein die 7 Kupplungen ein sges = (1,19)7 = 3,4 verursachen. Diese Kupplung ist also in größerer Zahl selbst bei 145 MHz nicht mehr ohne weiteres brauchbar. Jedoch kann man auch hier durch geeignete Kabellängen und Anpassen der Senderauskopplung das SWV senken.

Alle vorstehenden Überlegungen gelten gleichermaßen für Empfangsanlagen, nur daß jetzt die Antenne die Quelle und der Empfänger der Verbraucher ist.

Zum Schluß noch ein Hinweis: Die meisten der für Funkamateure erschwinglichen "Stehwellenmeßgeräte" sind zur Messung des SWV ungeeignet und sind eigentlich nur "HF-Anwesenheitszeigerst daher nicht zu erwarten, daß ein berechneter Wert und ein derart "gemessener" übereinstimmen. Außerdem muß die bei den obigen Überlegungen außer acht gelassene Kabeldämpfung berücksichtigt werden, die recht einfach aus Diagrammen in (2) entnommenwerdenkann.

4. Literatur

  1. Meinke/Gundlach, Handbuch der Hochfrequenztechnik, Abschn. C 21 (Gl. 21.1), J. Springer-Verlag
  2. J. Sturm: Stehwellenverhältnis und Kabeldämpfung, UKW-Berichte 10 (1970) H. 3, S. 139 - 143

DL7HG, Dr. P. Brumm.