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Reflexionsverhalten von Impulsen auf Kabeln

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Sinusförmige Wellen und Impulse haben auf Kabeln ein ähnliches Ausbreitungs- und Reflexionsverhalten. Mit Impulsen läßt sich jedoch das Phänomen der Totalreflexion und der Anpassung im Vergleich zur mechanischen Impulsausbreitung auf einem Seil viel besser betrachten. Auch die Berechnung des Reflexionsfaktors bei ohmschen Abschluß ist anhand elektrischer Impulse einleuchtender zu erklären als bei Wellen. Bei Verwendung genügend langer Kabel läßt sich der elektrische Vorgang bei relativ niedrigen Frequenzen und großen Laufzeiten problemlos im Experiment nachvollziehen!

1. Totalreflexion und Aanpassung beim meschanischen Modell

Auf einem Seil soll ein mechanischer Impuls erzeugt werden. Das Hämmerchen (Bild la) ist praktisch der "Impulsgenerator". Der Impuls läuft nach rechts bis zum Seilende. Drei besondere Fälle können dabei unterschieden werden:

a) Das Seil ist am Ende fest eingespannt: der Impuls wird am Seilende mit gleich großer, aber in der Polarität entgegengesetzter Amplitude reflektiert. Man spricht hier von Reflexion am "festen Ende". Die Mauer, in der das Seil fest verankert ist, übernimmt die Impulsenergie nicht. Die Energie wird vollständig reflektiert. Der Polaritätswechsel des Impulses ist erforderlich, damit vor-und rücklaufender Impuls am Leitungsende durch ihre Überlagerung die physikalische Forderung erfüllen können, daß sich das Seil am Befestigungsort nicht bewegen kann!

Bild 1
Bild 1: Impulsausbreitung auf einem Seil,
a) festes Ende
b) loses Ende
c) Seil unendlich lang

Das Seil ist am Ende "lose" (Bild 1b):

die lose Halterung des Seil-Endes erreicht man dadurch, daß es nur durch einen im Vergleich zum Seil sehr dünnen Faden gehalten wird und dadurch bei einer Anregung nachgeben kann. Auch hier wird die im vorlaufenden Impuls stekkende Energie wieder vollständig reflektiert. Es leuchtet hier noch eher als beim vorigen Fall ein, daß am Seilende keine Energie verloren gehen kann. Da hier wegen der Art der Halterung das Seilende nachgeben kann, hat der reflektierte Impuls die gleiche Polarität wie der vorlaufende Impuls. Da keine Energie verlorengeht, ist wie vorher die Amplitude von vor- und rücklaufendem Impuls gleich groß! Wegen der totalen Energie-Reflexion spricht man sowohl bei a als auch bei b von "Totalreflexion". Könnte man im Augenblick der Reflexion am Seilende eine fotografische Momentan-Aufnahme machen, würde man sogar erkennen, daß in diesem Zeitpunkt der Überlappung von vor- und rücklaufendem Impuls die Summenamplitude den doppelten Wert des Einzelimpulses aufweist.

c) Das Seil sei in einem Medium befestigt, dessen Bestandteile so nachgeben, daß die Impulsenergie sich in dem Medium in Wärme-Energie umwandeln kann. Dann entsteht kein reflektierter Impuls. Der gleiche Effekt tritt auch auf, wenn man sich das Seil als unendlich lang denkt: der vorlaufende Impuls läuft weiter und weiter und verzehrt seine Energie auf dem langen Weg unweigerlich in den, wenn auch nur schwach vorhandenen, Reibungsverlusten. Ein reflektierter Impuls wird nicht auftreten. In der elektrischen Wellenausbreitung nennt man diesen Fall "Anpassung". Fall des unendlich langen Seils siehe Bild 1c.

2. Totalreflexion und Anpassung beim Kabel

Im Vergleich mit dem mechanischen Vorgang soll nun der Bezug zur Elektrotechnik hergestellt werden. Das Seil wird durch eine elektrische Leitung ersetzt, auf der anstelle des mechanischen Impulses ein elektrischer in Form eines z.B. recht-eckförmigen Spannungsimpulses wandert. Der Spannungsimpuls wird in einem RechteckimpulsGenerator am Kabeleingang erzeugt und eingespeist. Es gelten die Bilder 2a, b, c und d (Schaltung). Dem Bild 1a "Reflexion am festen Ende" entspricht elektrisch das Bild 2a: "fest" bedeutet hier "Kurzschluß am Kabelende". Kurzschluß verlangt physikalisch "Spannung null". Der vorlaufende Spannungsimpuls bewirkt dies dadurch, daß er am Ende, am Kurzschlußbügel, einen Impuls entgegengesetzter Polarität gleicher Amplitude auslöst. Da die Leitung zu Ende ist, bleibt dem so ausgelösten neuen Impuls gar nichts anderes übrig, als auf dem Kabel in Richtung Generator zurück zu wandern. Dieser rücklaufende Impuls transportiert praktisch Blindleistung zurück in den Generator. Damit er an den Generator-klemmen nicht seinerseits eine Reflexion auslöst, muß zwischen Generator-Innenwiderstand und dem sogenannten Wellenwiderstand des Kabels eine ganz bestimmte Beziehung herrschen (s. hierzu "Anpassung").

Bild 2
Bild 2: Impulsausbreitung auf einer (verlustlosen) Leitung
a) Kurzschluß
b) Leerlauf
c) Anpassung
d) Aufbau; Leitung im Ersatzschaltbild dargestellt

Dem Bild 1b "Reflexion am losen Ende" entspricht elektrisch das Bild 2b: "lose" bedeutet für den Spannungsimpuls "Leerlauf des Kabelendes". Zwischen den offenen Kabel-Ausgangsklemmen kann keine Energie verbraucht werden (Abstrahlung in Form von Raumwellen soll hier nicht in Betracht kommen!). An den offenen Kabelenden kann sich nun ein Impuls ausbilden, der gleiche Größe und Polarität hat wie der vorlaufende Impuls. Im Augenblick der Entstehung des reflektierten Impulses überlagern sich vor- und rücklaufender Impuls und bilden doppelte Spannung, was man mit einem Oszilloskop leicht überprüfen kann. Diese doppelte Spannung entspricht der Leerlaufspannung des Generators. Längs der Leitung hat jeder Impuls für sich nur die halbe Leerlaufspannung (Anpassung R; des Generators = Wellenwiderstand des Kabels vorausgesetzt).

Dem Bild 1c "Anpassung" entspricht elektrisch das Bild 2c: Anpassung im elektrischen Sinne bedeutet, daß der vorlaufende Impuls zwischen den Abschlußklemmen des Kabelendes das gleiche Verhältnis Spannung zu Strom vorfindet wie längs der Leitung. Bei Hf-Kabeln wird das Verhältnis bestimmt durch Induktivität und Kapazität des Kabels in der Form √LC. Entspricht der Lastwiderstand R diesem Verhältnis √LC, dann hat es der vorlaufende Impuls nicht notwendig, einen reflektierten Impuls zu erzeugen, da er im Lastwiderstand vollständig in Wärme umgesetzt wird.

Dieser spezielle Widerstandswert ist gleich dem sogenannten "Wellenwiderstand" Z = √LC des Kabels. Den gleichen Effekt, nämlich das Ausbleiben eines reflektierten Impulses würde man, wie beim Seil, erhalten, wenn das Kabel unendlich lang gemacht werden könnte: der elektrische Impuls würde seine Energie in den unvermeidlichen, wenn auch nur geringen ohmschen Verlusten im Kupfer und im Dielektrikum des Kabels allmählich verlieren.

In den Bildern 2a und b ist mit Hilfe der schraffierten Flächen am Kabelende gezeigt, wie man sich das Entstehen des reflektierten Impulses vorstellen kann: der vorlaufende Impuls kann ja nicht über das Kabelende hinauswachsen. Das überstehende Stück kann man sich im Fall Leerlauf um die das Kabelende markierende gestrichelte Linie geklappt zurücklaufend denken, im Fall Kurzschluß ebenfalls, aber zusätzlich noch mit einem Polaritätswechsel versehen. Die Überlagerung von vor- und rücklaufendem Impuls am Leitungsende ist nicht dargestellt. Sehr schön kann man jedoch derartige Überlagerung auch längs der Leitung oszillografieren, wenn man geeignete Stellen wählt, an denen sich ein reflektierter Impuls mit irgend einem, vom Generator später nachgelieferten weiteren vorlaufenden Impuls zur doppelten Spannung überlagert.

2.1. Teilweise Reflexion

Daß es zwischen dem Fall der Totalreflexion und dem der Anpassung auch teilweise Reflexion geben muß, ist plausibel. Ist eine Stelle längs eines Kabels, an der infolge Abweichung vom Wellenwiderstand teilweise reflektiert wird, vorhanden, so spricht man von einer Störstelle. Nur ein Teil der Impulsenergie wird dann weitertransportiert. Ein anderer Teil läuft zum Generator zurück. Das gleiche geschieht dann, wenn am Kabelabschluß ein Lastwiderstand angeschlossen ist. Dann kann nämlich dieser Widerstand nur einen Teil der vom Impuls transportierten Energie in Wärme umwandeln. Der Rest wird reflektiert in Form eines Impulses, dessen Amplitude jedoch geringer ist als die bei Totalreflexion. Man bezeichnet eine solche Leitung als "fehlangepaßt" und unterscheidet zwei besondere Fälle: "kurzschlußähnlichen Abschluß", wenn R zwischen 0 und Z liegt, "leerlaufähnlichen Abschluß", wenn R zwischen ruck Z und unendlich liegt. Das Verhältnis zwischen der Amplitude des rücklaufenden zu der des vorlaufenden Impulses wird als Betrag des Reflexionsfaktors bezeichnet (Bild 3).

Bild 3
Bild 3: Teilweise Reflexion
a) leerlaufähnlich
b) kurzschlußähnlich
Betrag des Reflexionsfaktors r = ûrückvor

2.2. Zahlenbeispiel zum Reflexionsfaktor

Ein Impulsgenerator, Innenwiderstand 50 Ω, habe eine Leerlaufspannung von û0 = 20 V. Ein Verbraucher, ohmscher Widerstand 75 Ω ist über ein als verlustlos angenommenes Kabel vom Wellenwiderstand Z = 50 Ω mit dem Generator verbunden. Wie groß ist die vorlaufende Impulsamplitude ûvor und wie groß die rücklaufende Impulsamplitude ûrück?

Lösung: Der Impulsgenerator "weiß" zunächst noch nicht, mit welchem Abschlußwiderstand das Kabel belastet ist. Der vorlaufende Impuls richtet sich daher nach dem Teilerverhältnis, das durch Generator-Innenwiderstand und Wellenwiderstand des Kabels bestimmt wird (Der Generator "sieht" den Wellenwiderstand des Kabels, nicht den Lastwiderstand).

Da Ri = Z vorausgesetzt wurde, teilt sich die Leerlaufspannung 1 : 1 auf und es ist ûvor = û0/2 = 10V! Mit dem Spannungsimpuls ist ein vorlaufender Stromimpuls îvor verknüpft, der sich nach dem Kabelwellenwiderstand richtet: îvor = ûvor/Z (Zahlenmäßig: 10 V/50 Ω = 0,2 A). Wegen des Fehlabschlusses am Kabelende erzeugt der vorlaufende Impuls einen reflektierten Impuls ûrück, der ebenfalls mit einem (rücklaufenden) Stromimpuls einhergeht: îrück = ûrück/Z. Wie groß sie sind und welche Richtung ûrück und îrück haben, hängt von der Fehlanpassung ab. Für den angenommenen Fall "leerlaufähnlicher Abschluß" (R größer als Z) haben rücklaufender und vorlaufender Spannungsimpuls gleiche Polarität und es entsteht am Lastwiderstand die Gesamtspannung ûvor + ûrück, rücklaufender Stromimpuls und vorlaufender Stromimpuls haben jedoch entgegengesetzte Polarität (hochohmiger Abschluß: Laststrom wird kleiner) und es fließt durch die Last der Gesamtstrom (ûvor/Z - ûrück/Z). ûrück und mit ihm îrück bildet sich nun so aus, daß das ohmsche Gesetz am Lastwiderstand erfüllt ist: (ûvor + ûrück) = (ûvor/Z - ûruck/Z) × R

Gesamtspannung am Ende = Gesamtstrom am Ende mal Lastwiderstand.

Nach Einsetzen von Zahlen verbleibt eine einfache Gleichung, aus der man die einzige Unbekannte, nämlich ûrück ausrechnen kann:

(10 V + ûrück) = (10 V/50 Ω - ûrück/50 Ω):75 Ω.

Daraus folgt nach Umformung

ûrück = 10 V × (75 Ω - 50 Ω)/(75 Ω + 50 Ω) = +2 V.

2.3. Reflexionsfaktor

Der Bruch im vorigen Zahlenbeispiel gibt den Faktor an, mit dem man die Amplitude des vorlaufenden Impulses multiplizieren muß, um den rücklaufenden zu erhalten. Es ist somit der Reflexionsfaktor. Allgemein gilt die Formel bei ohm-schen Abschluß:

Reflexionsfaktor r = (R - Z)/(R + Z)

Auf Bild 2 bezogen gilt: Bei 2c ist R = Z und es wird der Reflexionsfaktor r = 0, also keine Reflexion. Bei 2b ist R = ∞ und es wird r = 1. Bei 2a ist R = 0 (Kurzschluß) und es wird r = -1. Letzteres besagt, daß wegen des Faktors "1" reflektierte und vorlaufende Amplitude gleich groß sind, das Vorzeichen "-" besagt, daß der reflektierte Impuls negativ gerichtet ist (s. auch Bild 1a!).

Bild 3 zeigt Fälle teilweiser Reflexion: Bild 3a zeigt leerlaufähnlichen, Bild 3b kurzschlußähnlichen Abschluß.

Beispiel: Gemäß Bild 3 sei ûvor = 2,5 V. Das 50-Ω-Kabel sei mit 75 Ω abgeschlossen. Wie groß muß der reflektierte Impuls sein?

Lösung: r = (75 Ω - 50 Ω)/(75 Ω + 50 Ω) = 0,2; daraus folgt ûrück = 2,5 V × 0,2 = 0,5 V.

Hinweis: Bei sehr langen Leitungen kann ein erheblicher Fehler infolge der Dämpfung entstehen! Der vorlaufende Impuls erfährt bis zum Leitungsende Dämpfung, der rücklaufende nochmals. Es wirkt sich somit die doppelte Leitungsdämpfung aus!

Beispiel: Das gesamte Kabel habe eine Dämpfung von 1,5 dB. Der vorlaufende Impuls habe am Eingang 2,5 V. Das Kabel habe einen Wellenwiderstand 50 Ω und sei mit 75 Ω abgeschlossen. Mit welcher Amplitude kommt der reflektierte Impuls am Kabeleingang an?

Lösung: Der vorlaufende Impuls erscheint am Leitungsende gedämpft um 1,5 dB ≡ 1,19, also ûvor(Abschluß) = 2,5 V/1,19 = 2,1 V. Infolge Fehlanpassung mit r = (75 Ω - 50 Ω)/(75 Ω + 50 Ω) = 0,2 entsteht aus 2,1 V ein reflektierter Impuls ûruck(Abschluß) = 2,1 V × 0,2 = 0,42 V. Beim Ruck-laufen erfährt dieser erneut die Dämpfung 1,5 dB und es kommt schließlich am Leitungseingang ein rücklaufender Impuls der Amplitude ûrück = 0,42 V/1,19 = 0,35 V an! Infolge der Dämpfung würde also ein Reflexionsfaktor von r = 0,35 V/ 2,5 V = 0,14 = 14 % (anstelle von 20 %) vorgetäuscht.

3. Hinweis zur meßung mit Impulsen

Aus dem Reziprokwert der Lichtgeschwindigkeit 3.108 m/s erhält man die Laufzeit eines Impulses pro Meter, wenn das Dielektrikum Luft wäre. Wegen des Isoliermaterials im Kabel wird die Laufzeit unter Berücksichtigung eines Verkürzungsfaktors von 0,66 um den Faktor 1,5 größer, beträgt somit bei 1 m Kabel immerhin 5 ns. Kurze Kabel mit dieser Impulsmethode ausmessen zu wollen, erfordert somit Impulse mit einer Anstiegszeit von wenigen Nanosekunden und ein Oszilloskop mit einer Grenzfrequenz von einigen zehn MHz. Will man die beschriebenen Effekte lediglich zu Demonstrationszwecken nachvollziehen, verwendet man zweckmäßigerweise ein Kabel von 50 bis 100 m, so daß man mit Impulsen von etwa 0,1 bis 0,5 µs und einem Oszilloskop mit einer Grenzfrequenz von wenigen MHz Bandbreite arbeiten kann. Damit lassen sich vor- und rücklaufender Impuls am Kabeleingang bequem darstellen.

DG7GK, Erich Stadler.