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Reflexionsfaktor

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Der Reflexionsfaktor drückt das Verhältnis von reflektierter zu vorlaufender Spannungswelle aus, also r = Urück / Uvor.

Ist das Ende des Kabels mit einem ohmschen Lastwiderstand RL abgeschlossen, so ergibt sich der Reflexionsfaktorbetrag zu

r = |(RL - Z) / (RL + Z)|.

Hierin ist Z der Wellenwiderstand des Kabels. Bei HF-Leitungen kann er im allgemeinen als reeller Widerstand angenommen werden. An einem Zahlenbeispiel soll die letztgenannte Formel erläutert werden.

Das Bild zeigt einen Generator, Leerlaufspannung 20 V, Innenwiderstand 50 Ω.

Bild 1

Zunächst ist es völlig gleichgültig, wie das angeschlossene HF-Kabel am Ausgang belastet wird. Selbst wenn es am Ausgang kurzgeschlossen oder leerlaufend betrieben würde, muß sich am Eingang des Kabels unmittelbar nach Anlegen des Generators dessen halbe Leerlaufspannung, also 10 V, einstellen. Dies kommt daher, daß der Generator noch nicht "weiß", wie das Kabelende beschaltet ist. Durch die Spannungsteilung zwischen Innenwiderstand 50 Ω und Wellenwiderstand 50 Ω ergibt sich folglich die Spannung von 10 V, die in Form einer "vorlaufenden" Welle zum Leitungsende "wandert". Dies dauert, je nach Leitungslänge, wenige Nanosekunden.

Mit der vorlaufenden Spannungswelle der Amplitude 10 V ist eine vorlaufende Stromwelle verknüpft. Die Stromamplitude ergibt sich ganz einfach dadurch, daß die vorlaufende Spannungswelle am Wellenwiderstand 50 Ω einen Strom 10 V / 50 Ω = 0,2 A erzeugt. Nimmt man ein homogenes, verlustloses Kabel an, so bleibt die Spannungs- und die Stromamplitude längs der Leitung konstant, ihr Verhältnis ist überall längs der Leitung gleich dem Wellenwiderstand. Lediglich die Phasenlage beider in Bezug auf die Phasenlage am Eingang der Leitung ändert sich, was aber hier außer acht gelassen werden kann.

Am Kabelende finden Strom- und Spannungswellen ganz andere Verhältnisse vor als längs der Leitung: der Abschlußwiderstand RL erfordert nähmlich nach dem ohmschen Gesetz ein anderes Verhältnis zwischen Spannung und Strom, als es längs der Leitung herrscht, da in dem Beispiel RL = 200 Ω nicht mit dem Wellenwiderstand Z = 50 Ω der Leitung übereinstimmt. Wie zieht sich die vorlaufende Welle "aus der Klemme"?

Entsteht am Lastwiderstand ein anderer Strom

IL = 10 V/200 Ω = 0,05 A

oder eine andere Spannung

UL = 0,2 A × 200 Ω = 40 V?

Weder das eine noch das andere ist der Fall!

Die vorlaufende Welle verursacht am Kabelende eine reflektierte Welle, auch als rücklaufende Welle bezeichnet, die ihrerseits aus einer Spannungs- und einer Stromwelle besteht. Die Besonderheit der rücklaufenden Welle ist jedoch, daß ihre Spannungsamplitude Urück und ihre Strom-Amplitude !nick sich so einstellen, daß zwei physikalische Bedingungen eingehalten werden:

  1. Die überlagerten Spannungsamplituden vor-und rücklaufender Welle müssen mit den überlagerten Strom-Amplituden vor- und rücklaufender Welle am Leitungsende ein Verhältnis bilden, das nach dem ohmschen Gesetz gleich dem Lastwiderstand RL ist.
  2. Das Verhältnis der Spannungsamplitude zur Strom-Amplitude der rücklaufenden Welle muß längs der Leitung gleich dem Wellenwiderstand sein.

Zu a:

Da der Lastwiderstand in diesem Zahlenbeispiel größer als der Wellenwiderstand ist, muß die überlagerte Spannungsamplitude, die aus vor- und rücklaufender Welle resultiert, größer sein als die Spannung der vorlaufenden Welle: die rücklaufende Spannung muß also am Leitungsende gleiche Polarität haben wie die vorlaufende. Zugleich muß der überlagerte Strom kleiner sein als der der vorlaufenden Welle, was nur dadurch möglich ist, daß der rücklaufende Strom am Leitungsende zu dem des vorlaufenden entgegengesetzte Polarität hat.

In der Rechnung drückt sich dann das Ohmsche Gesetz am Lastwiderstand RL = 200 Ω unter Verwendung der bereits bekannten Spannungsund Stromwerte wie folgt aus:

(10 V + Urück) / (0,2 A - Irück) = 200 Ω.

Zu b:

Man kann sich vorstellen, daß die reflektierte Welle sich genau so verhalten muß, wie eine Welle, die man an den Ausgangsklemmen in das Kabel eingespeist hat. Daher gilt für die rücklaufende Welle:

Urück / Irück = 50 Ω.

Aus der letzten Gleichung ergibt sich für

Irück = Urück / 50 Ω.

Setzt man dies in die vorletzte Gleichung ein, so ergibt sich nach Umformung Urück:

Eq 1

Die 10 V sind darin die Amplitude der vorlaufenden Spannungswelle Uvor. Es ist also nach Umstellung:

Eq 2

Da Urück / Uvor als der Reflexionsfaktor definiert ist, haben wir damit eine Möglichkeit, den Reflexionsfaktor aus Wellenwiderstand und Lastwiderstand zu berechnen. Ist der Lastwiderstand kleiner als der Wellenwiderstand, so wird der Bruch negativ. Setzt man allgemein RL und Z ein, so hat man die Formel zur Berechnung des Reflexionsfaktorbetrags:

Eq 3

Ergebnis zum Zahlenbeispiel

Die Amplitude der rücklaufenden Spannung ist Urück = 10 V × (200 Ω - 50 Ω) / (200 Ω + 50 Ω) = 6 V, die des Stromes Irück = 6 V / 50 Ω = 0,12 A. Irück ist gemäß Pfeil im Bild rechts entgegengesetzt zu Ivor. Im Lastwiderstand stellt sich also eine resultierende Spannung von UL = 10V + 6 V = 16 V, ein resultierender Strom IL = 0,2 A - 0,12 A = 0,08 A ein. Das Ohmsche Gesetz am Lastwiderstand ist erfüllt: 16 V / 0,08 A = 200 Ω! Der Reflexionsfaktor beträgt 0,6 ≡ 60 %.

Spezialfall

Nur wenn der Lastwiderstand gleich dem Wellenwiderstand ist, braucht sich keine rücklaufende Welle auszubilden. Dann ist nämlich das Verhältnis Uvor / Ivor auch gleich dem Lastwiderstand. Der Reflexionsfaktor ist in diesem Fall Null.

Zu Beginn wurde erwähnt, daß es zunächst gleichgültig sei, welche Last am Kabelende angeschlossen ist. Nun muß jedoch folgendes ergänzt werden. Wenige Nanosekunden später, wenn nämlich die reflektierte Welle an den Eingangsklemmen der Leitung eintrifft, bilden sich durch Überlagerung der vor- und rücklaufenden Welle am Leitungseingang eine Spannung und ein Strom aus, die je nach Leitungsabschluß und Leitungslänge gegenüber der Phase der Leerlaufspannung jede beliebige Phasenlage zwischen + und - 180° einnehmen können. Die Eingangsspannungs-Amplitude kann zwischen 0 und Leerlaufspannung, die des Stroms zwischen 0 und dem Kurzschlußstrom des Generators liegen. Wenn also die zur Erläuterung der Vorgänge angegebenen Strom- und Spannungswerte nicht gemessen werden, liegt dies daran, daß bei üblicher Strom- und Spannungsmessung die Vorgänge innerhalb der ersten paar Nanosekunden nach dem Anlegen des Generators an die Leitung gar nicht erfaßt werden. Wollte man die Vorgänge meßtechnisch erfassen, müßte man mit Mitteln der Impulsreflektometrie während der ersten paar Nanosekunden messen. Eine andere Möglichkeit, und zwar zum Erfassen der Amplituden, ist die Messung vor- und rücklaufender Wellen mittels Richtkopplern.

Reflexionsfaktorbetrag und reflektierte Leistung

Ist der Kabel-Wellenwiderstand gleich dem Generator-Innenwiderstand, so versucht der Generator zunächst, die maximale (= verfügbare) Leistung zu liefern. Die reflektierte Welle transportiert jedoch einen Teil (bei Totalreflexion die gesamte) Leistung zurück. Der Reflexionsfaktor ist proportional zur rücklaufenden Spannung. Da die Leistung vom Quadrat der Spannung abhängt, ist die reflektierte Leistung proportional zum Quadrat des Reflexionsfaktorbetrags: Prück = Pmax × r2. Die an den Verbraucher abgegebene Leistung ist daher P = Pmax (1 - r2), so daß man mittels des Reflexionsfaktors eine einfache Möglichkeit zur Berechnung der von einem Sender abgegebenen Leistung hat.

DG7GK, Erich Stadler.