Der erste Teil (CQ DL 3/02, S. 194) vermittelte die Grundlagen über den HF-Widerstand. Diesmal zeigt der Autor, welchen Einfluss Korrosion auf die Leitfähigkeit hat, und was der Proximity-Effekt ist.
Sowohl Kupfer als auch Silber korrodieren im Laufe der Zeit, wenn die Oberfläche ungeschützt der Luft ausgesetzt ist. Welchen Einfluss hat das auf die HF-Leitfähigkeit? Wie man sowohl anschaulich herleiten als auch mathematisch zeigen kann, steigt der HF-Widerstand an, wenn man auf die Oberfläche eine nur mäßig gut leitende Schicht aufbringt. Allerdings bedeutet ein hoher spezifischer Widerstand gemäß Formel 3 (im ersten Teil) auch eine große Eindringtiefe des Stromes, der dann zu einem gewissen Anteil in das besser leitende Grundmaterial verdrängt wird. Die schlechteste HF-Leiffähigkeit erhält man, wenn der spezifische Widerstand der Schicht doppelt so groß ist wie der des Trägermateriales.(2) Es stellt sich also die Frage, welche Stoffe bei der Korrosion von Kupfer und Silber entstehen, und wie es um deren Leitfähigkeit bestellt ist.
Kupfer bildet an der Luft sowohl rötliches Kupfer-(I)-0xid Cu2O als auch schwarzes Kupfer-(II)-Oxid CuO. Die beiden Oxide entstehen bei der Korrosion von Kupfer als Mischform stöchiometrisch nicht eindeutiger Zusammensetzung, die mit CuxO bezeichnet wird.
Bei Kontakt mit schwefelhaltigen Stoffen - das können beispielsweise die eiweißhaltigen Rückstände eines Fingerabdruckes oder Spuren von Schwefeldioxid in der Luft sein - bilden sich außerdem Kupfer-(I)-Sulfid Cu2S und Kupfer-(III)-Sulfid CuS. Das "Anlaufen" von Silber beruht ausschließlich auf der Bildung von Silbersulfid Ag2S; das in diesem Zusammenhang manchmal genannte Silberoxid bildet sich dagegen unter gewöhnlichen Umständen nicht.
Wie Tabelle 1 (im ersten Teil) zeigt, sind die oben genannten Korrosionsprodukte weder gute Leiter noch gute Isolatoren und verschlechtern daher die HF-Leitfähigkeit. Alle genannten Stoffe haben Halbleiter-Eigenschaften. Kupferoxid war in der Anfangszeit der Elektronik neben Selen ein wichtiger Werkstoff zur Herstellung von Gleichrichtern und wurde erst während des zweiten Weltkrieges durch Germanium und Silizium abgelöst. Wegen der Temperaturabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit eignet sich Kupfer-(I)-Oxid als Widerstandsthermometer.
Die Veränderung der HF-Leitfähigkeit von Kupfer durch Korrosion wurde in einem Versuch ermittelt.(10) Die HF-Leitfähigkeit des frisch gereinigten Leiters betrug 98 % des Maximalwertes von Reinst-Kupfer und fiel dann innerhalb von 18 Wochen auf etwa 89 % ab. Noch drastischer war die Verschlechterung bei einer im Freien aufbewahrten Probe, deren Leitfähigkeit nach 18 Wochen auf 71 % abgesunken war. Gemessen wurde jeweils bei 9 GHz. Ähnliche Ergebnisse liegen für Silber vor.(7) Messungen bei 35 GHz zeigten eine korrosionsbedingte Erhöhung des HF-Widerstandes um bis zu 160 % im Verlauf weniger Monate.(4)
Andererseits ist die Leitfähigkeit der Korrosionsprodukte um Zehnerpotenzen schlechter als die von Kupfer oder Silber, sodass eigentlich nur geringe Auswirkungen zu erwarten wären. Da die oben zitierten Messungen init Frequenzen im GHz-Bereich durchgeführt wurden, spielt neben der spezifischen Leitfähigkeit vor allem die bereits erwähnte Oberflächenrauigkeit eine Rolle, die bei, der Korrosion mehr oder weniger stark zunimmt. Die Erhöhung des HF-Widerstandes ist daher frequenzabhängig: Messungen an einem versilberten Hohlleiter ergaben bei 35 GHz eine korrosionsbedingte Verschlechterung der HF-Leitfähigkeit von 74 %, während bei 15 GHz nur eine Verschlechterung um 33 % gemessen wurde. Auf Kurzwelle spielt die Oberflächenrauigkeit wegen der um ein bis zwei Zehnerpotenzen größeren Eindringtiefe des Stroms (siehe Tabelle 2, im ersten Teil) eine viel geringere Rolle; die Erhöhung des HF-Widerstandes dürfte daher deutlich niedriger als die oben genannten Werte sein.
Eine wirksame Maßnahme gegen die korrosionsbedingte Erhöhung der HF-Verluste ist ganz einfach eine Lackschicht, die natürlich ein guter Isolator sein muss, Das funktioniert auch noch im Mikrowellenbereich. Kommerziell werden versilberte Leiter auch durch sehr dünne Gold- oder Rhodium-Schichten geschützt.
Zum Reinigen von Kupfer eignet sich eine wässerige, konzentrierte Zitronensäurelösung. Zitronensäure ist das, was der Name vermuten lässt, und man bekommt sie unter anderem in Drogerien. Zum Schutz gereinigter Oberflächen verwende ich Plastik-70 Klarlack.
Leiterplatten werden nur selten versilbert, denn Silber kann unter dem Einfluss elektrischer Felder in feuchtem Kolophonium-Harz wandern und so gut leitende Brücken über Flächen bilden, die eigentlich isolieren sollen. Das Problem der "silver migration" ist beispielsweise der Grund, warum Sicherheitsnormen des amerikanischen Militärs das Versilbern von Leiterplatten explizit verbieten.
Ein Leiter von gegebenem Querschnitt hat den kleinstmöglichen Umfang, wenn er rund ist. Flaches Kupferband hat also eine größere Oberfläche als ein runder Draht des gleichen Querschnitts. Allerdings ist die Annahme falsch, dass ein bandförmiger Leiter deshalb einen geringeren HF-Widerstand als ein runder Leiter hätte.
Nur bei einem runden Leiter fließt hochf requenter Strom in einer gleichmäßigen Schicht unter der Oberfläche. Bei anders geforrnten Leitern sind die Zusammenhänge wesentlich komplizierter; im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass sich der Strom an den Kanten konzentriert. Je schärfer die Kanten sind, desto ausgeprägter ist die Konzentration des Stromes.(11)
Auf diese Verhältnisse weist auch die Firma MFJ in einer Anzeige (Bild 4) für ihre magnetische Antenne hin.(12) Vermutlich zielte diese Anzeige gegen ein Konkurrenzprodukt namens "Isoloop", hergestellt von Advanced Electronics Applications AEA. Die Isoloop besteht nämlich aus einem flachen Aluminiumband, während MFJ rundes Rohr verwendet.
Bild 5 - Der Proximity-Effekt beruht auf Stromverdrängung durch die Felder benachbarter Leiter.(14) Die schaffierten Bereiche der beiden Leiter werden von Strom durchflossen.
Bei Spulen mit mehreren Windungen wird der HF-Widerstand zusätzlich durch den so genannten Proximity-Effekt (engl. proximity: Nähe) erhöht. Wie Bild 5 zeigt, behindern die Felder benachbarter Leiter den Stromfluss in einem Leiter durch Stromverdrängung.
Bild 6 - Die Abbildung zeigt den aufgrund des Proximity-Effektes entsthehenden zusätzlicher Widerstand Rp einer Spule mit n Windungen, gemessen in Vielfachen des HF-Widerstandes Ro, der ohne diesen Effeckt gelten würde. Der Durchmesser der Leiter ist d, der Abstand zwischen den Mittelpunkten zweier Leiter beträgt a.
G. S. Sirlith hat den Proximity-Effekt sowohl theoretisch als auch experimentell untersucht (13) Bild 6 zeigt, mit welchem zusätzlichen Widerstand man zu rechnen hat. Bei einem Abstand von weniger als dem 1,5-Fachen des Durchmessers wird der Widerstand deutlich erhöht, und dies natürlich umso mehr, je mehr parallele Leiter vorhanden sind. Beispielsweise ist der HF-Widerstand einer Spule mit drei Windungen, deren Leitermittelpunkte jeweils 1,1 x Leiterdurchmesser voneinander entfernt sind, um 64,3 % größer, als wenn dasselbe Stück Leiter gerade verlaufen würde. Wenn der Abstand zwischen den Leitern mehr als das Drei- oder Vierfache des Leiterdurchmessers beträgt, kann man den Proximity-Effekt vernachlässigen.
Wie Smith ebenfalls zeigt, sollte dieses Ergebnis beim Bau magnetischer Antennen mit mehreren Windungen beachtet werden. (14) Den prinzipiell sehr geringen Strahlungswiderstand dieser Antennenform und den daraus resultierenden gelingen Wirkungsgrad beim Senden kann man unter anderem durch die Verwendung einer Spule mit mehreren Windungen erhöhen, denn der Strahlungswiderstand steigt mit dem Quadrat der Windungszahl, Herbei ist aber ein ausreichender Abstand zwischen den Windungen erforderlich, weil die elektrischen Verluste durch den Proximity-Effekt sonst ebenfalls ansteigen.
Zur Minirnierung des HF-Widerstandes einer Spule sollte man folgende Punkte beachten:
Eine auf mechanische Robustheit, Korrosionsbeständigkeit oder spiegelnden Glanz hin optimierte Silberschicht leitet im allgemeinen wesentlich schlechter als Kupfer.
Wenn in Elektronikkatalogen "anlaufgeschützter Silberdraht" für HF-Anwendungen angeboten wird, so ist das sicherlich gut gemeint, aber elektrisch vermutlich wenig vorteilhaft. Vorsicht ist also bei versilberten Drähten geboten, die nicht die für Silber typische Neigung zum Anlaufen zeigen oder einen besonderen Glanz aufweisen. Reines Silber ist mattglänzend und wirkt eher grau als spiegelblank.
Wenn die Verwendung von versilbertem Draht mitunter als selbstverständlich oder unverzichtbar dargestellt wird, dann stammt diese Erkenntnis vermutlich aus der Anfangszeit der Funktechnik. Das damals verfügbare Kupfer hatte einen geringen Reinheitsgrad und somit einen relativ hohen Widerstand, während bei den damaligen Versilberungsverfahren anscheinend keine verunreinigenden Zusätze verwendet wurden. Aus heutiger Sicht kann man beim Versilbern nicht mehr pauschal von einer Notwendigkeit sprechen.
Aber auch bei optimal versilbertem Kupferdraht ist die HF-Leitfähigkeit gegenüber blankem Kupfer nur um etwa 2,5 % besser - ob die Gegenstation "den" Unterschied hören würde?
Teil 1 - Teil 2
DJ3TZ, Wolfgang Gelterich
E dj3tz@qsl.net
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